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Quarter-Life-Crisis – Orientierungskrise als Student

Depression in Sachen Orientierung dargestellt mit der unvollendet gestrichenen Wand in den Farben gelb, blau und rot
Geschrieben von FieseFikke

Urkunde einer Depression

Es ist ernüchternd, wenn man an einem Punkt im Leben angelangt, an dem man außer einer Urkunde und eine zu erstrebenswerte weitere, nichts anderes erreicht zu haben scheint als Zeit in die Länge gezogen zu haben. Man hat das Elternhaus verlassen, und ist stolz darauf einen eigenen Haushalt doch tatsächlich führen zu können, man hat unnütze Gehirnzellen aus dem Hauptfunktionshaus gespült, literweise Flüssigkeiten in fremden Laken gelassen, dumme Dinge getan, die andere Menschen verletzten. Man hat versucht aus anderen Mündern zu sprechen, um zu verstehen, wie deren Welt aus deren heraus passiert, sich Gedanken über werte Träume gemacht, welche man sich eines Tages erfüllt haben möchte.

Man denkt nach über Vergangenes, was vorbei ist. Über den Schwarm oder Freundin, die noch in der Facebookliste erscheint, aber jahrelang kein Eintrag mehr zu finden ist. Menschen sind gestorben, ausgewandert, verheiratet oder sind einfach scheiße geworden. In jedem Fall gehören sie nicht mehr zu Deinem Leben.

Ich habe keine Plan

Man denkt nach über Zukünftiges, was kommen mag. Wo werde ich in einem Jahr leben und was wird bis dahin alles passiert sein? Was wird mir auf diesem noch unbekannten Weg widerfahren? Ich kann planen. Ich kann mich auf etwas ausrichten, werde mich schienen. Alles andere wird an mir abprallen, was mich von meiner Linie abzulenken droht.

Das Problem ist aber: Ich habe keinen Plan. Ich weiß nicht, was in drei Monaten passieren wird. Ich möchte es aber auch nicht, denn es hat bis hierher funktioniert. Bis hierher, wo ich mich nie hätte gesehen als ich meiner Mutter damals versprach, dass ich auf das Gymnasium gehen will, weil ich Astronom werden wollte. Ich bin beschissen mit mathematischem Talent, denn mehr als einen Haufen von Hyroglyphie ist durch mich nicht zu sehen, wenn ich eine Formel sehe. Ich bin trotzdem hier.

Ich habe keinen Bock mehr

Ständig neue Städte, immer wieder Menschen, die mir fremd sind. Ich habe aber einfach keinen Bock mehr darauf stets die gleichen Konversationen zu führen. Es kreisen dieselben Kategorien über den Köpfen, nur die Gesichter sind anders. Mal trifft man hübsche Menschen, die dann auch noch reden können. Sie flashen Dich, ficken Dich, und nach kurz oder lang, war es dann auch schon. Alles wiederholt sich.

Ein Leben heute ist gleich einer Mediathek: Jederzeit und überall abrufbar, wenn man eine Verbindung hat. Erinnerung verpasst? Kein Problem. Was passiert ist, wirst Du rausfinden. Und wenn nicht, wird es in naher Zukunft auf einer anderen Frequenz wiederholt oder ganz neu aufgesetzt. Vielleicht ein wenig verzerrt und digitalisiert, aber das Prinzip bleibt dasselbe: Gibst Du alles, wirst Du alles verlieren. Gibst Du nichts, bekommst Du nichts. Doch wie lautet der positive Zusammenhang?

Idee?

Vergangenheit. Ich bin kein Mensch, der alten Dingen hinterherhinkt, danach trauert oder gar in der Vergangenheit lebt. Warum auch? Was auch immer Zeit sein mag und warum auch immer es Zukunft heißt in das, worin wir stets hineinleben und verändert werden, aber dem können wir nicht entgegenwirken.

Also was machen? Etwas in der Gegenwart leben? Doch das hieße nichts anderes als Opportunist zu sein. Das bin ich, war ich, will ich sein. Oder nicht? Zukunftsleben heißt planen. Das will ich nicht. Also wo befinde ich mich gerade?

Ich habe keinen Job, habe keinen Partner, Familie und Freunde sind weit.

¼ als Anfang

Ein junges, viertel Jahrhundert ist vorbei und hat mich verlebt. Ich weiß weder wer ich bin noch wie ich und warum ich genau hier gelandet bin. Hier auf diesem Stuhl, an diesem Ort und vor diesem Fenster mit der verbogenen Jalousie des Vormieters.

Ich habe keine Depression. Ich bin als Person verloren im Gewirr der Möglichkeiten und Größe der Vielfalt, welche sich vor mir auftut, wenn ich darüber nachdenke, welche Motivation ich hätte, um mich aufzuraffen und mich endlich zu schienen, damit mich keine Wiederholungen langweilen, sondern Neues durch Unsicherheit passiert. Ich habe Angst davor mich zu versehen, eine falsche Entscheidung zu treffen, aber gleichzeitig jene Zeit zu verleben, die ich für mich nutzen könnte. Dazu macht Einsamkeit den Komplott komplett. Ich wundere mich stets, dass obwohl ich falle und falle nie aufschlage. Ich bin nicht gläubig, fühle keine unbekannte Macht, die mich bestimmt und lenkt oder führt. Dies sei für die Glücklichen. Niemand kann in meine Gedanken und meinem Kopf schauen, um einen Fehler, einen Matrixzahlendreher entdecken, der meine Rechnung durcheinanderbringt. Es ist wie ein Fluch, dass ich mir selbst überlassen bin und nach einem Lebensplan suche, den es entweder nicht gibt oder die Menschheit diesen nicht abstrahieren kann.

Wo stehe ich?

Doch zurück: Wo steht meine Person eigentlich in Beziehung zu der Milliardenbevölkerung der Welt? Dies ist keine Frage, die nur ich mir stelle. Es ist offensichtlich, dass sich diese Frage früher oder selber jeder stellt. All die Exzentriker sind süchtig nach einer Aufgabe, auch wenn es die des Clowns sein mag, aber es ist eine. All die Endozentriker haben jene inne, die uns allen auf welcher Weise auch immer zuspielt. Zusammen sind wir konzentrisch gerichtet auf das Ideal der Biographie. Anders kommt man in unserer westlichen Gesellschaft nicht weiter.

Ich finde dieses Konzept scheiße.

Warum? Weil Selbstentfaltung und –bestimmung als höchster Wert nichts mit ökonomischer Bedingung verknüpft sein darf. Knappe Güter sind wertvoll. Das war in der Ökonomie schon immer so. Doch sehe ich nicht ein meine Persönlichkeit auch noch an diesem Weltentwurf verkaufen zu müssen.

Soll man sich nun damit abfinden, dass man im Kanon der Biographie denkt? Nein, aber was ist die Alternative? Buen vivir – das Leben in Harmonie mit Umwelt und Natur? Ja. Das will ich. Werte schaffen und danach handeln, die einem selbst wichtig sind und nicht in Depression verfallen. Der Platz in einer Gesellschaft ist nicht das primäre Ziel, von dem ich schreiben will. Es ist die Individualität auf das Gesamte. Gesellschaft ist nur ein System dessen was ich Welt nennen möchte.

Wir haben die Beziehung und das Gefühl für die Natur als Subjekt verloren. Und das sollte ich mir klar werden, wenn ich die falsche Frage stelle.

Denn eine klügere und problemreichere würde sein:

Wie kann die Welt mich verändern, damit ich mich als Teil dieser bewusst werde? Und was kann ich dann an meiner Stelle tun, um meine ideellen Werte in diese zu implementieren, damit ich die Welt verändern kann?

 

Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit.

Über den Autor/die Autorin

FieseFikke

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