Studentenalltag

Weihnachten auf Chinesisch

Weihnachten in China
Geschrieben von Max Keller

Das erste Weihnachten fernab von zuhause soll ganz neue Eindrücke bieten, so hörte ich von Freunden und Kollegen: „Du wirst die Welt mit anderen Augen sehen!“ oder „Viel Spaß beim Alleinsein!“ Na danke auch. Bisher sehe ich vor allem sehr viel bunten Weihnachtsschmuck an den Gebäuden in Sanlitun, Pekings sehr am Westen orientiertem Viertel. Möglichst große, möglichst auffällige Christbäume mit viel Klimbim stehen überall herum. Die bestehen aus Metall-Spiegel-Kombinationen, aus Neon-Röhren und hin und wieder auch aus echtem Holz, wie man das von Bäumen eben so gewohnt ist. Und überall erklingt Weihnachtsmusik. Im Starbucks meines Vertrauens läuft schon gefühlt seit meiner Ankunft im September Jingle-Bells rauf und runter und die saisonalen Kaffeekreationen bieten endlich wieder weniger Kaffeegeschmack und mehr Kariesgarantie. Fast wie zuhause, könnte man meinen. Fast.

Warum China?

Warum ich über Weihnachten in China sein werde? Ich bin für ein Praktikum in der PR-Abteilung eines großen Konzerns nach Peking gezogen. Zusätzlich zu allerlei spannenden Einblicken in die Arbeitsweise eines großen Unternehmens erlebe ich täglich meine persönlichen Abenteuer in der Riesenmetropole. Außerdem stehe ich den anderen Praktikanten zusammen mit Laura bei Fragen und Problemen zu Seite. Alle zwei Wochen organisieren wir einen Stammtisch sowie weitere Veranstaltungen. Am ersten Adventswochenende bietet die deutsche Botschaft einen Weihnachtsmarkt nach deutscher Tradition an. Urige Holzhütten, Glühwein und Weihnachtsmusik, wie man es von der Heimat gewohnt ist. Alle Erlöse sollen gespendet werden. „Hin da!“, denken sich die beiden Praktikanten-Eltern, erstellen eine Veranstaltung und entfachen die Vorfreude.

Weihnachtsmarkt

Am Samstag dann steige ich um die Mittagszeit auf mein Rad und fahre die kurze Distanz bis zur Botschaft durch dichten Smog. Über die Feinstaubwerte von 400 µg konnte ich leider nicht lachen und bei der Botschaft angekommen stelle ich fest, dass sehr viele Menschen anstehen, um den Weihnachtsmarkt zu besuchen. Nach kurzer Orientierung treffe ich mich mit einigen Freunden, die mir klarmachen, dass es nicht nur „sehr viele Menschen“ sind. „Die Schlange geht einmal um die komplette Botschaft herum“, lacht Felix. In der Tat, Thomas und Marvin hatten sich sogar einen Spaß daraus gemacht, mit dem Roller die Schlange abzufahren, um ein Video filmen. „Die bräuchten dringend diese Schilder aus dem Europapark. „Ab hier noch drei Stunden warten“, kommentiert Abdennour, während wir uns das Video anschauen.  „China!“, denke ich mir. Wir schütteln fast synchron die Köpfe und fahren zu Homeplate, einem unserer Stammlokale, wenn es um Burger geht. Ein wenig wehmütig denke ich an den Aachener Weihnachtsmarkt, an Glühwein und Printen. Das hier ist irgendwie nicht ganz so weihnachtlich.

Erster Advent

Auch am ersten Advent fehlt mir irgendwie etwas, aber ich komme nicht ganz drauf, was: Ein Sonntag wie jede Woche, ein spätes Frühstück mit den Freunden beim liebevoll ‚Assi-Chinesen‘ getauften Restaurant, wo die Portion Jiaozi, mit Fleisch gefüllte Nudeln, weniger als einen Euro kostet, wo man aber auch auf keinen Fall in die Küche schauen möchte. Als Nachtisch nach dem (kurzen) Verdauungsspaziergang durch das „weihnachtliche“ Sanlitun haben wir uns dann einen Cappuccino bei Starbucks verdient. „Wir könnten noch zum Silkmarket fahren, Weihnachtsgeschenke kaufen“, meint Thomas. Ja und nein, ein Blick auf das Smartphone klärt uns auf. „Lieber nicht, heute sind es wieder Werte von 400 µg.“ Der Blick aus dem Fenster bestätigt die Zahlen, das weiße Schwirren in der Luft ist leider kein Schnee. Wir entscheiden uns schließlich dagegen, dem Preiskampf im Weihnachtsgeschäft wollen wir uns heute dann doch nicht mehr aussetzen. Vor allem macht die Strecke bei der Luft keinen Spaß. Es ist immer wieder schade, dass man hier nicht nur vom Wetter abhängig ist. Und die Smogwerte kann man leider nicht voraussagen. Auch weiße Weihnachten sind wohl eher unwahrscheinlich: In Peking gibt es kaum Niederschlag.

Weihnachten

Leider ermöglichen unsere Praktikantenvisa nur eine einmalige Einreise in die Volksrepublik. Das bedeutet, dass mit Ausnahme der Wenigen, die Weihnachtsbesuch von zuhause bekommen, der Großteil schon fast dazu verdammt ist, alleine in die Röhre zu gucken. Um aus dem drohenden ‚Einsam‘ ein ‚Gemeinsam‘ zu machen, wollen Laura und ich unserer Praktikantenfamilie schöne Weihnachten bescheren. Dafür rufen wir verschiedene Restaurants und Bars an und fragen nach deren auf uns zugeschnittenen Angeboten; mit gebrochenem Mandarin ein gar nicht einmal so leichtes Unterfangen. Obwohl ich finde, dass wir nicht krampfhaft versuchen sollten, unser Weihnachten Made in Germany nach China zu exportieren, entscheiden wir uns schließlich für ein weihnachtliches Buffet mit Ente, Truthahn, Rotkraut, Bratäpfeln, Glühwein und vielem mehr. Sogar typische Weihnachtsmusik soll gespielt werden. Hoffentlich geht das Konzept auf, und wir haben etwas andere, trotzdem besinnliche Weihnachten hier in China. In diesem Sinne: Ein Frohes Fest und „Sheng Dan Kuai Le“ aus Peking!

Über den Autor/die Autorin

Max Keller

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