Studentencampus

Von Märchen und dem ganzen Rest

Ein Mädchen lässt eine Kugel zwischen ihren Händen schweben in der der Frosch aus dem Märchen des Froschkönigs sitzt.
Geschrieben von Fairytale-Girl

Letztes Semester hatte ich ein Seminar zum Thema Märchen. Dort wollte ich unbedingt rein. Märchen sind doch cool, fand ich jedenfalls als Kind, und überhaupt klang es nicht so langweilig wie die Geschichte der deutschen Literatur vom 18. bis zum 20. Jahrhundert oder die Literatur des Exils von 1933 bis 1945. Natürlich dachte nicht nur Ich so und es gab auf 30 Seminarplätze 96 Bewerber. Na super.  Normalerweise hätte mich allein diese Zahl schon abgeschreckt und ich hätte ein anderes Seminar gewählt. Dieses Mal aber, dachte ich mir – egal. Ich versuche es einfach mal. Und oh Wunder, trotz meines sonstigen Losglücks von null Prozent, hatte ich den Platz ergattert. Ein hoch auf die Gleichberechtigung!

In den ersten Sitzungen nahmen wir die Unterscheidung von Kunst- und Volksmärchen durch, grenzten die Gattung des Märchens gegenüber Fabeln, Sagen und Legenden ab und erarbeiteten die Wesens- und Stilzüge eines Märchens. Blablabla. Also ein ganz normales Seminar. Inklusive zahlreichen Grundlagentexten, die wir zu Hause vor jeder Sitzung lesen durften. Yippie. Aber ich hatte mir ja dieses Seminar gewünscht, sodass ich keinen Grund hatte mich zu beschweren. Tat ich auch nicht, denn wenn ich ehrlich war, war es auch eines der interessanteren Seminare innerhalb des Semesters. In der 7. oder 8. Sitzung wollte unsere Dozentin uns die gelernten Grundlagen anhand eines konkreten Märchens veranschaulichen. Der Froschkönig gewann den Kampf und wurde zum Mittelpunkt unserer kommenden Diskussionen. Ein Märchen, das jeder aus unserem Seminar bereits kannte.

Das Märchen um den Froschkönig

Eine kurze Zusammenfassung: Die natürlich bildschöne Prinzessin spielt mit ihrer goldenen (!!!)  Kugel, die ihr dann – was für ein Mist – direkt in den Brunnen fällt. Die zu Tode betrübte Prinzessin trifft auf den Frosch, der ihr die Kugel aus dem Brunnen holt. Er würde wohl als Gentlemen bezeichnet werden, wenn er ihr nicht im Gegenzug das Versprechen abnehmen würde, ihr Gemahl zu werden. Was offen gesagt jetzt nicht unbedingt der fairste Deal ist. Aber die Prinzessin stimmt ihm zu, um ihre Kugel wieder bekommen zu können. Sie lässt den Frosch aber zurück, denn sie dachte nicht im Traum daran ihn mit in ihr prächtiges Schloss zu nehmen. Dafür ekelte sie sich zu sehr vor ihm.
Aber am nächsten Tag platscht der Frosch in das Schloss hinein und fordert die Prinzessin auf, ihr Versprechen einzuhalten. Ihr Vater bestimmt, entgegen dem Willen der Tochter, dass sie ihr Wort halten müsse. Sie teilt also ihren Teller mit dem Frosch und nimmt ihn sogar mit auf ihr Zimmer. Als der Frosch aber auch noch in ihrem Bett schlafen will, ist sie so angewidert und wütend, dass sie ihn an die Wand wirft. Und er – wie man sicher schon erwartet hatte- verwandelt sich in ihren Prinzen. Jetzt echt, als ob das so einfach wäre. Beide sind natürlich – wie soll es anders sein – glücklich bis an ihr Lebensende. Wie romantisch.

So saß ich im Seminarraum, Montagnachmittag um zwei und folgte gerade nicht der Analyse des Handlungsverlaufs des Märchens, die meine Dozentin mit uns durchsprach, sondern dachte daran wie um Gottes Willen dieses Märchen mir in meinem Liebesleben weiterhelfen sollte.

Im wahren Leben ist es leider selten so wie im Märchen

Erstens hatte ich keine goldene Kugel. Woher auch. Ich war schließlich Studentin und keine Prinzessin.

Zweitens hatte ich keinen Typen in Aussicht, der sich, sobald ich ihn an die Wand warf in einen Prinzen verwandeln würde. In unserer Welt sah es eher so aus: Wisch nach rechts. Ja ich mag dich, ähm nein, ich finde du siehst gut aus und wisch nach links. Sorry, du und ich, erst nach einer Schönheits-OP.

Gerade in diesem Moment in diesem Seminar wünschte ich mir, dass mir ein echter Prinz über den Weg laufen würde, der sich mir nicht über Tinder offenbarte. Denn diese Oberflächlichkeit nur anhand eines Fotos über einen anderen Menschen zu urteilen, kotzte mich regelrecht an. Nicht, dass ich die App nicht selbst schon einmal ausprobiert hatte. Ja hatte ich und einige meiner Freunde hatten dadurch auch eine Beziehung aufbauen können. Aber ich glaubte nicht an dieses Konzept. Dafür war ich viel zu träumerisch veranlagt, als dass ich davon mein Glück abhängig machen wollte.

Während ich so darüber nachdachte, sah ich mich im Seminarraum um, der durch sein komplett in weiß gestaltetes Ambiente total steril und kalt wirkte. Nicht gerade die beste Lernatmosphäre. Mein Blick fiel auf einen Studenten, der mir schon in den vorigen Sitzungen aufgefallen war. Er saß mir schräg gegenüber und lächelte mich an. Häh, warum lächelte der mich an? Hatte ich etwa etwas im Gesicht? Oh Gott, das wäre peinlich. Nervös strich ich mir über das Gesicht, um potenzielle Krümel wegzuwischen. Als ich jedoch die anderen im Raum wahrnahm, fand ich den Grund seines belustigten Lächelns heraus. Alle anderen hatten ihre Nase in den vor ihnen liegenden Texten gesteckt. Ups, hatte er mich wohl bei meinen Tagträumen erwischt. Ich hatte die Ansage der Dozentin wohl nicht mitbekommen. Typisch. Schnell nahm ich den Text, hob ihn leicht an, lächelte dem Typen zurück und fing rasch an zu lesen. Vorher aber dachte ich noch, dass dieser Typ die Verwandlung von einem Frosch in einen Prinzen keineswegs nötig hätte.

Quelle zum Beitragsbild

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Fairytale-Girl

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