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Privat-Studium: Moderedakteurin

Privat-Studium: rich bitches
Geschrieben von Rosa

Privat-Studium an einer Reiche-Töchter-Akademie

Wir kennen ihn alle: Justus den BWL Studenten. Die Facebook-Seite nimmt reiche Schnösel auf die Schippe. Wir lachen drüber, aber wir kennen alle mindestens einen Justus. Sei es im entfernten Freundeskreis oder in einem Kurs. Justus der Spast! Oder wie auch immer das reiche Neid-Objekt auch heißen mag. Nun stellt euch mal vor, eure komplette Uni würde aus solchen reichen, ignoranten Idioten bestehen. So erging es mir.

Aber von Anfang an:

Ich wusste schon sehr früh, dass ich Moderedakteurin werden wollte. Der klassische Weg bestand damals in einer Ausbildung als Schneiderin und anschließendem Mode-Design Studium. Nach dem Abi bekam ich einen der wenigen Ausbildungsplätze als Maßschneiderin, das ist heutzutage fast wie ein 6er im Lotto. Leider machte der Betrieb nach einem halben Jahr pleite. Da stand ich nun. Ich versuchte es bei unzähligen Fachhochschulen mit dem Direkteinstieg als Designerin. Allerdings ohne Erfolg. Machen wir uns nichts vor, ich bin keine Designerin und meine Kenntnisse ohne die Ausbildung einfach zu gering. Niedergeschlagen fand ich mich mit dem Gedanken ab, meinen Traum aufzugeben. Die tiefe Trauer hielt an, aber ich musste schnell ein neues Ziel finden.

Ein Infoabend für Abiturienten sollte neue Ideen bringen. Dabei lernte ich flüchtig ein Mädchen kennen. Und es muss Schicksal gewesen sein oder Fügung, was weiß ich! Denn wir erzählten uns gegenseitig von unserem Werdegang und wieso wir an dem Infoabend teilnahmen. Nach meiner, für mich traurigen Story, sagte sie ganz salopp: „Den Studiengang gibt es doch!“ Was? Davon hat die Alte beim Arbeitsamt nichts gesagt. Wofür sind diese bekackten Termine da eigentlich gut??? Da sitzt man da und diese schwerwiegende Entscheidung, welche deine ganze Zukunft betrifft, hängt von dieser fetten Kuh ab, die in ihrem billigen C&A Polyester-Anzug munter Kekse frisst, während sie über mögliche Studiengänge fachsimpelt.

Egal, meine Freude war größer als die Wut über Frau Schmitz-Reuter. Noch am selben Abend suchte ich das Internet nach dem Studiengang ab. Damals war er noch relativ neu und nicht so bekannt. Ich fand die Akademie.

Bewerben

Ja, ja private Akademien haben nicht den besten Ruf. Das weiß ich. Aber mir blieb nichts anderes übrig. Um meinem Berufswunsch näher zu kommen, musste ich in den sauren Apfel beißen. Eine Woche bis zur Abgabefrist der Arbeitsproben hatte ich noch! Die wollten wirklich eine Menge haben… Eine Reportage, eine Fotostrecke zum Thema starke Frauen, ein Essay über mein Lieblingsbuch, einen Fachtext über PR und natürlich ein Motivations-Schreiben. Ich legte mich ins Zeug und schaffte alles rechtzeitig. Sicherheitshalber bewarb ich mich auch an einer öffentlichen FH im Bereich Journalismus.

Zwei Monate später kam der Brief von der Akademie an. Darin die Antwort, die meine Zukunft maßgeblich beeinflussen sollte. Mir ging dabei ganz schön die Pumpe. Als ich bereits die ersten Zeilen: „Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu dürfen …“ las, kamen mir die Tränen. Aber als ich die Anmeldegebühr und die monatlichen Raten sah, fing ich erst richtig an zu heulen.

Ohne Moos nix los im Privat-Studium

Ich komme aus einer einfachen Familie. Es hat mir an nichts gefehlt und ich hatte eine tolle Kindheit. Jetzt war ich erwachsen und wollte nicht, dass meine Eltern mir das sündhaft teure Studium finanzieren. Also nahm ich einen hohen Privatkredit auf. Ende der Abzahlung mit 36. Eine utopische Zahl für mein damals 21jähriges Ich. Aber die Investition in meinen Traumjob erschien mir vernünftig. Ganz im Gegensatz zu meinen Eltern. Ich solle doch in meinem erlernten Beruf als Mediengestalterin Fuß fassen, anstatt so hohe Schulden einzugehen noch bevor ich „richtig“ arbeite. Und überhaupt schien der Beruf als Redakteurin für meine Eltern vielmehr eine brotlose Kunst, als ein ernst zu nehmender Job mit Zukunft zu sein. Ich ließ mich nicht beirren. Nahm den Rat meiner Eltern nicht an und begann das Studium. Tja, meine Freunde kauften sich in dem Alter ein Auto, ich mir Wissen. Dies sollte mein Leitsatz werden.

Als das Studium los ging war ich voll motiviert. Bis ich meine Kommilitonen kennen lernte. Alles reiche Tussi-Töchter. Welche morgens im Mini-Cooper angefahren, ihre Louis Vuitton Tasche in der linken und den Starbucks Latte in der rechten Hand, in ihren Prada Ballerinas zur ersten Stunde herein getippelt kamen. Alles sponsored by Daddy. Ich in meinen H&M Klamotten war damals natürlich eins: neidisch. Ich wusste es nicht besser. Aber, dass die teuren Klamotten nicht der einzige Luxus sein werden, der uns von Grund auf unterscheidet, war mir anfangs nicht bewusst. Wie auch.

Multitasking statt Spaß und Heiterkeit

Für mich war das Studium nicht die spaßige Zeit, voller Sauferei und Spaß und Lernen nebenbei, so wie man es sich vorstellt. Ganz und gar nicht. Ich musste als einzige nebenbei arbeiten, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Denn der Kredit deckte nur die Kosten für die monatliche Gebühr und das Bahnticket ab. Also flitze ich nach dem Unterricht schnell zur Bahn, fuhr eine Stunde Richtung Heimat und arbeitete bis 21 Uhr als Verkäuferin in einem Modeladen. Während alle anderen lernen oder noch zusammen was unternehmen konnten, musste ich arbeiten. Soziales Leben? Keine Spur.

Nach dem ersten Semester wusste ich wie der Hase läuft. Bei den Dozenten gab es Lieblingsschüler, die auch nach dem Unterricht besonders gefördert wurden. Der angepriesene Vorteil kleiner Unterrichtsgruppen wurde mir zum Verhängnis. Denn ich hatte keine reichen Eltern, nicht viel Zeit zu üben und überhaupt war ich nicht blond. Meine Texte wurde also bloß lieblos korrigiert. Ohne sich damit zu befassen, was ich hätte besser machen können. Keine Förderung. Mit unter kam es sogar vor, dass gleiche Antworten in einer Arbeit nicht die selben Noten hervorbrachten. Rich Bitch Blondie: eins, moi: drei.

Benotungen waren Willkür. Einmal bekam ich eine Semesterarbeit noch verschlossen (ich hatte sie wegen des Themas in Zeitungspapier verpackt) zurück. Die Note dafür war eine Zwei. Ob mein schwuler Dozent das mit einem Röntgenblick beurteilt hatte, weiß ich bis heute nicht. Aber hei, er bekam seine Knete und zwar von mir. Die gekaufte zwei eben.

Stichwort Bezahlung

Da wo andere Studenten sich freuen, beispielsweise wenn der Lehrer einen blöden Film zeigt oder der Unterricht ausfällt, wurde ich sauer. Wenn man sich überlegt, dass diese Sunde mich umgerechnet 36 Euro kostete, diese nicht nachgeholt wurde und ich damit etwas Sinnvolleres – ich meine überhaupt etwas – hätte kaufen können. Dafür musste ich nämlich vier Stunden in dem Laden stehen und dumme Kunden bedienen. Wie sollte ich so nur nach dem Studium ins Berufsleben einsteigen? Wie? Die Verzweiflung schlug um in Zielstrebigkeit.

Als ich gemerkt habe, dass ich trotz Privat-Studium auf mich allein gestellt war, suchte ich mir freiberufliche Jobs bei Zeitungen, um alles über die Praxis zu lernen. So kam ich von einem zu gleich drei Nebenjobs. Semester-Arbeiten schrieb ich nachts… Für Klausuren lernte ich in der Bahn. Und das nicht wirklich effektiv. Eine drei in einer Klausur glich einer Katastrophe und die Schadenfreude aller anderen tarnte sich hinter gespieltem Mitleid.

Richest Bitches

Bei einem Test flüsterte mir eine sogar mal mit Absicht die falsche Antwort zu. Die Ellbogen waren ausgefahren. Und auch während man seinen Platz verließ, war es lebensnotwendig seinen Computer zu sperren. Sonst wäre aus Geisterhand die ganze Semesterarbeit futsch gewesen. Was sich anhört wie eine Geschichte aus Gossip Girl, war leider trauriger Alltag.

Aber nicht nur der harte Leistungsdruck nagte an mir wie ein Aasgeier an den Überresten eines toten Tieres. Diese Akademie war der perfekte Keimboden für Selbstzweifel. Hier hatten sie die perfekten Verhältnisse zu wachsen und das Beste von dir zu verschlingen. In der Mensa schlürften sie alle an einer Cola Light, ganz nach dem Vorbild Karl Lagerfelds himself. Das war auch alles was es gab: einen Cola-Automaten. Essen? Wer braucht das schon? Und so wurde man auch angesehen wenn man ein Brötchen auspackte und rein biss. Mit entsetzten „Willst du das wirklich essen?“ Blicken, als würde ich einem Kleinkind den Kopf abbeißen wollen. Kohlenhydrate sind der Teufel. Es liegt an der Branche, das weiß ich heute. In einem Job unter Models, Retusche und unerreichbaren Schönheitsidealen.

Nicht aufgeben!

Aber: Die Akademie, die Jobs und auch die anschließend ewig lange Suche nach dem richtigen Job, haben mich nur stärker gemacht. Und haben mich dahin gebracht, wo ich heute bin. Mein Ziel habe ich nie aus den Augen verloren. Seien es die mitleidigen Blicke der Kommilitonen, die herablassende Art der Kunden, Schreiben für 16 Cent die Zeile oder die dumme Bitch beim Arbeitsamt. Nichts konnte mich von meinem Traumjob abbringen.

Dieser Text ist kein öffentliches Jammern wie schwer ich es hatte. Oder, dass ich mir einen darauf runter hole, was ich geschafft habe.

Er ist dafür da, um euch Mut zu machen. Eure Träume, so bescheuert sie auch für alle anderen sein mögen zu verfolgen. Und egal wie viele Steine euch in den Weg gelegt werden, mit Mut und Durchhaltevermögen kann man alles schaffen. Auch ein Tussi-Studium für den Wert eines Neuwagens plus Job als Verkäuferin und als Karla Kolumna, die rasende Reporterin.

Bild: pixabay

Über den Autor/die Autorin

Rosa

2 Kommentare

  • Respekt Rosa! Kannst stolz auf dich sein 🙂
    Der Artikel macht Mut und erinnert mich ein bisschen an meine Situation.
    Zeig es den Rich Bitches 😀

    LG
    Dijas

  • „Davon hat die Alte beim Arbeitsamt nichts gesagt. Wofür sind diese bekackten Termine da eigentlich gut??? Da sitzt man da und diese schwerwiegende Entscheidung, welche deine ganze Zukunft betrifft, hängt von dieser fetten Kuh ab, die in ihrem billigen C&A Polyester-Anzug munter Kekse frisst, während sie über mögliche Studiengänge fachsimpelt.“

    Schade, dass du dem Klischee einer arroganten, respektlosen Modestudentin selber so dermaßen entsprichst.

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