Studentenbeiträge

Wie scheiße sind eigentlich Weihnachtsmärkte?

Wie scheiße sind eigentlich Weihnachtsmärkte?
Geschrieben von Jann Wattjes

Eine hochkalorische Nahtoderfahrung

Zwei Jungen peitschen einen weiteren im Schnee liegenden mit ihren Haribo Lassos in den Tod. Ihr Vater zahlt gerade für seinen gesamten Monatslohn die nächste Runde aus weißem, rotem und zugeschusstem Glühwein, Glühpunsch, Glühbier, Glühalster, Glühhugo, Glühethanol, Glüh-Capri Sonne und Fahrerkakao. Ein kleines Mädchen erbricht ihren Schogetten-Crêpe aus dem Feuerwehrwagen des Kinderkarussells. Was nach Josef Mengeles Adaption von „Charly und die Schokoladenfabrik“ klingt, ist eine noch viel kränkere Perversion der Feiertagsmaschinerie: Ein Weihnachtsmarkt.

Ich möchte eine These aufstellen: Wenn alles, was mit der Intention Spaß zu machen erfunden wurde, auch Spaß machen würde, gäbe es keine Armut, Kriege oder Faschismus. Solange Ausfälle wie Weihnachtsmärkte, Festivals und Spieleabende bestehen, wird unsere Gesellschaft niemals gesunden. Der Weihnachtsmarkt ist dafür tatsächlich sogar das beste Beispiel.

Die Geschichte der Weihnachtsmärkte

1678 brachte der ungarische Seefahrer Balázs Wyhnáht den Brauch von den Azoren nach Mitteleuropa. Die damaligen Wyhnáhtsmärkte ähnelten den heutigen Weihnachtsmärkten, allerdings weniger als den seinerzeit ohnehin beliebten Pogromen gegen Biber. Biber lebten bis Mitte des 18. Jahrhunderts noch in Symbiose mit dem Menschen und wurden erst durch die Wyhnáhtsmärkte final in Seen und Sümpfe verbannt. Noch heute erinnern Holzoptik, Glühwein (die meisten Biber wurden in kochenden Alkoholbädern verätzt) und kandierte Äpfel (um sich ihres Ablebens zu versichern, stanzte man den Bibern mit Speeren die Augäpfel aus) an den Triumph der Menschen.

11 Euro für ein Flammlachsbrötchen

Diese historisch wertvolle Dimension des Weihnachtsmarktes möchte ich nicht aberkennen, bin aber der Meinung, dass unsere tapferen Ahnen über heutige Weihnachtsmärkte beschämt den Kopf schütteln würden: Leute, die ihre Freizeit an einen Lebensgefährten verloren haben, trinken sich Pärchenabende schön. Der scheiß Abteilungsleiter hält es für eine gelungene Teambuilding-Maßnahme, wenn mal alle Kollegen schön um ein paar Tassen Glühwein frieren. Alle Aufklärungsversuche im Biologieunterricht sind erfolglos an dir abgeprallt und jetzt verlangt das Ergebnis dessen quengelnd nach Zucker in allen Farben und geometrischen Formen.

Es gibt viele Gründe, auf einem Weihnachtsmarkt zu landen, erfreulich ist keiner. Und wäre das alles nicht schon romantisch genug, machen sich die Buden auch noch die Mühe, die Kirmespreise mit noch mal astronomisch höheren zu überkleben. Das Flammlachsbrötchen kostet mit süßem Senf (bäh?) satte 11 Euro, das Pizza-Achtel mit auf der Pappe klebendem Belag immerhin 4 Euro und bei den gebratenen Nudeln ist zum Glück schon Ratenzahlung möglich. Günstig sind eigentlich nur die Tassen für 1,50 das Stück. Meistens gibt es genau eine gute Glühweinbude, aber es gibt IMMER einen in der Gruppe, der es für eine wahnsinnig coole Idee hält, alle Buden auszuprobieren.

„Mein bester Freund Alkohol boxt mich da schon wieder raus…“

Jeden Glühwein, den die anderen benötigen, um „lustig“ zu werden, muss ich als 50/50 Rum-Mischung trinken, um die anderen „lustig“ finden zu können. Aber so ignoriere ich wenigstens auch gleich die direkte Arterienverfettung der dritten frittierten Calzone. Alle sind schon komplett aus dem Leben gekegelt, als plötzlich die Glühweinbude schließt, weil schon 8 Uhr ist und nun mal auch eine Großstadt noch ein Dorf sein kann. Ab da klafft ein Filmriss.

Okay, ehrlich gesagt erinnere ich mich ab da an den Plot von „Muppets aus dem All“, aber dass das so passiert ist, scheint mir unwahrscheinlich. Das Ergebnis ist nämlich schlimmer: Ich habe nicht das Gefühl, mich am Montag noch auf der Arbeit blicken lassen zu können, mein Kontostand ist niedriger als mein BMI und beim Erbrechen erkenne ich Crêpes der Geschmacksrichtungen Snickers, Schokokuss, Toast, Ahoi-Brause, Yogurette und Gyros. Aber alles halb so wild. Noch besteht ja die Möglichkeit, dass ich nicht mit dem nackten Transvestiten geschlafen habe, der mir gerade das Frühstück ans Bett bringt…

Fröhliche Vorweihnachtszeit (Denn aus Gründen der Logik enden Weihnachtsmärkte mit dem Beginn von Weihnachten)!

Bildrechte: flickr

Über den Autor/die Autorin

Jann Wattjes

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