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Fauna des Campus: Der Seniorenstudent

Fauna des Campus: Seniorenstudent (innen) an der Universität Leipzig
Geschrieben von Jann Wattjes

Der Seniorenstudent (Discipulus walkingdeadus) ist eine bislang nicht zu erklärende Anomalie des Hochschulapparates. Anders als klassische Studentengattungen tritt er nicht in Gruppen, sondern allerhöchstens als Pärchen auf. Deshalb wird er vorrangig erst dann von diesen bemerkt, wenn Dozenten die Seminarteilnehmer ob seiner geringen Lebenserwartung zum Applaudieren nötigen. Da Forscher sich nur selten in seine Nähe trauen, lassen sich nur wenige seiner Verhaltensweisen zufriedenstellend erklären.

Herkunft

Der vom Aussterben (und vor allem auch Sterben) bedrohte Seniorenstudent gehört zu der Familie der Nicht-mehr-Nager, die ungefähr zeitgleich mit Beschäftigungsverhältnis und Lebenssinn auch ihre Bezahnung aufgeben. Seine Beweggründe dafür, sich im hohen Alter noch einmal dem mit natürlichen Feinden (u.a. Treppen, Lautstärke, Spaß) gespickten Lebensraum Campus auszusetzen, lassen sich nicht einfach pauschalisieren; sinnvoll sind sie allerdings alle nicht.

Lebensweise

Da der Seniorenstudent keine natürlichen Feinde hat, ist er im krassen Gegensatz zu anderen Campusbewohnern nicht auf Tarnung angewiesen: Mag seine Kleidung sich nur unwesentlich von der ansässiger Hipster unterscheiden, so duftet er meist eher nach Weichspüler als Bierfahne und lehnt auch die vorderen Sitzreihen nicht als sein Habitat ab. Weshalb genau der Seniorenstudent sich während Vorlesungen mit Stift und Papier statt eines Smartphones beschäftigt, ist in der Forschung bis heute umstritten. Wahrscheinlich ist aber, dass es sich um eine Form der Posttraumatischen Belastungsstörung handelt.

Auch außerhalb von Veranstaltungen verhält sich der Seniorenstudent konträr zu gängigeren Studentenarten, indem er sich zwar ebenfalls über das Mensaessen beschwert, aber nicht gezielt das günstigste auswählt – sondern das flüssigste. Auch verbringt er nur wenig Zeit damit, über den Campus zu flanieren, notiert stattdessen lieber Falschparker und liest sogar Bücher, die er nicht(!) für eine Hausarbeit benötigt – ein Naturschauspiel, das physikalischen wie biologischen Gesetzen widerspricht.

Koexistenz auf dem Campus

Für alle anderen Studenten fungiert der Seniorenstudent als warnender Indikator: Je höher der Anteil an Seniorenstudenten, desto geringer sind die Berufschancen nach Abschluss des jeweiligen Studiums. Der Seniorenstudent an sich ist nämlich nicht an Bildung, sondern gezielter und möglichst extremer Langeweile interessiert. Klägliche Versuche, sich mit ihm in Symbiose zu begeben, sind vor allem dann zu beobachten, wenn die Lebenswelt einer studentischen Spezies von einer sogenannten „Gruppenarbeit“ erschüttert wird. Diese Versuche gehen zumeist deshalb nach hinten los, weil der Seniorenstudent sich nicht von Noten und Credit Points ernährt, sondern einfach nur gerne eigene anachronistische Positionen vertritt.

Auch außerhalb des Bildungskontextes ist von einer Konfrontation mit der aussterbenden Lebensform ausdrücklich abzuraten. Sollte jemals eine andere Studentengattung in seine Falle tappen und versuchen ihn zu stützen oder sich die Bilder seiner Enkel ansehen müssen, sind unangenehme Ausartungen aufgrund der mit Immatrikulation abgelegten Empathie unausweichlich.

+++Wichtiger Überlebenshinweis: Setzen Sie die Seniorenstudenten nie dem Sonnenlicht aus, lassen Sie sie nicht nass werden und füttern Sie sie nicht nach Mitternacht!+++

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Bild: wikimedia

Über den Autor/die Autorin

Jann Wattjes

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