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Ich bin am Leben! – Reisebericht der Erste

Autorin reitet auf ihrem Flugzeug das beinahe abgestürzt wäre - Reisebericht
Geschrieben von Svenja

Das Flugzeug und die Todesangst…

Liebste Leute,

ich wünsche mir nur einmal das Land auf ganz normale Weise zu verlassen. Aber das sei mir wohl nicht vergönnt.

Elon* und Felix**, die zwei Arschlöcher. Umgebracht hätten sie mich heute fast. Ich meine das todernst. Ich wurde plötzlich aus dem Schlaf geschüttelt, weil das Flugzeug um ein paar Meter absackte. Ich habe ja so Angst vorm Fliegen, deshalb flüchte ich mich gerne in den Schlaf. Aber wie soll man schlafen mit dem Gefühl in einem von Eseln mit unterschiedlich langen Beinen über eine Schotterpiste gezogenen Wagen zu sitzen?! Immerhin wäre man dabei in der Nähe des guten alten Bodens, dem einzigen soliden Lebensraum des Menschen.

Ich habe dieses Auf und Ab beim Aufwachen zuerst noch für ganz gewöhnliche Turbulenzen gehalten, bisschen heftiger als sonst, aber noch im Bereich des Möglichen. Was mir aber als Anlass genügt um mich in den Sitz einzukeilen und mich an den Armlehnen fest zukrallen. Beim ersten freien Fall hingegen wurde mir schlagartig bewusst, dass das so nicht sein darf. Das Aufstöhnen einiger Passagiere, ihre entsetzten, kreidebleichen Gesichter und dass die Frau schräg vor mir mit einem verzweifelten Wimmern in der Stimme lauthals betete trug jetzt auch nicht unbedingt zur Beruhigung bei.

Das Flugzeug fing sich wieder kurzzeitig

um daraufhin in ein noch tieferes Loch zu stürzen, und zwar nicht etwa mit dem Flugzeugbauch zur Erde hin, sondern ich sah aus dem Fenster frontal den Boden auf mich zukommen, während die Maschine bedrohlich ächzte. Die Passagiere fingen an zu schreien und spätestens da wurde mir klar, dass sowas noch niemand hier erlebt hatte. Irgendwie kriegte der Pilot die Schnauze des Flugzeugs wieder in die Senkrechte, aber die Panik war ausgebrochen. Viele Leute weinten, schluchzten, wimmerten, Babys brüllten, während das Flugzeug immer wieder meterweit absackte um dann hart auf einer Mauer aus Luft aufzuschlagen. Eine halbe Stunde zuvor hatte der Kapitän durchgesagt, dass wir zum Landeanflug ansetzten. Das kam mir irgendwie schon längst überfällig vor und ich hoffte so fest, dass endlich fester Boden auftauchen würde. Aber schwarze Wolken die hin und wieder durch Blitze erhellt wurden verhinderten die Sicht nach unten.

Ich war wie versteinert vor Angst und völlig bewegungsunfähig, während eine Frau auf den Mittelgang stürzte um zu ihrer Familie zu gelangen, die ein paar Sitzreihen weiter vorne saß. Durch die heftigen Erosionen fiel sie hin und wurde den Gang hinunter geschleudert und die Stewardess kreischte hysterisch in die Sprechanlage  dass sie sich wieder auf ihren Platz begeben und sich anschnallen soll. Sie klammerte sich aber an ihrem Mann fest und konnte allein schon wegen der physikalischen Kräfte nicht zurück kehren. Da hätte sie schon Spiderman-Fähigkeiten besitzen müssen, um bergauf wieder zu ihrem Sitz zu gelangen. Ich hatte das Gefühl, dass der Pilot versuchte, das Flugzeug um zu landen gen Boden zu steuern, Aufwinde dies aber verhinderten, und nur die Luftlöcher, in die die Maschine von Zeit zu Zeit stürzte uns näher Richtung Boden brachten. Dabei entstanden Geräusche, die sich so anhörten als würde jemand mit einem Rasenmäher ein Feld bearbeiten, in das jemand Gabeln gesteckt hat.

Endlich tauchte das Flugzeug unter den Wolken hervor

und man konnte den Boden sehen. Und den peitschenden Regen der teilweise so dicht war dass flüssige Formationen in der Luft entstanden, die ich als individuell geformte Wasserscheiben bezeichnen würde. Ich hab noch nie sowas gesehen und meine Angst schlug auf einmal in Faszination um und ich beruhigte mich ein bisschen weil der Boden nun nicht mehr so fern erschien. Zu diesem Zeitpunkt war schon das große Kotzen ausgebrochen. Mindestens vier Leute in den nächsten drei Reihen hatten ihren Kopf in einer Tüte und der Gestank erreichte mich und ich dachte, na jetzt wird’s ja erst mal richtig gemütlich.

Die Turbulenzen waren immer noch absolut schreckenserregend

aber ich hatte auf einmal so eine Eingebung dass wenn ich schon sterben müsse, dies nicht in Angst passieren sollte (ist ja auch ein seltenes Event, so ein Tod, da sollte das letzte Gefühl was man hat wirklich nicht Angst sein) und ich zwang mich alles loszulassen was ich so verkrampft umklammerte und wagte den Versuch mich zu entspannen, was tatsächlich ein wenig funktionierte. Ich konnte die Bewegung des Flugzeugs auf einmal hinnehmen und eine Begeisterung für die Kräfte der Natur entwickeln und war einigermaßen in Frieden beim Ende, wenn es denn kommen sollte. Allerdings musste ich mir die Ohren zuhalten weil ich mich dafür schon ordentlich konzentrieren musste. Und ich habe davor noch nie Schreie von Menschen gehört die sich dem Tod so nahe glauben. Sie schrieen um ihr Leben und einige schluchzten so erbärmlich, was ich in meiner Phase der Angstbekämpfung überhaupt nicht brauchen konnte. Ich wünschte mir einfach nur Frieden, zumal an der Situation mit Angst ja auch nichts zu ändern war.

Dann kam eine Durchsage vom Käpten.

Er sagte es gäbe Komplikationen, wir könnten nicht landen. Wir müssten wieder hoch und flögen jetzt erstmal Richtung Meer. Ich hatte mir vorher auch schon gedacht, wenn wir abstürzen sollte das vielleicht nicht unbedingt über der Stadt passieren und das war die Bestätigung dass der Kapitän das selbe dachte. Das war der Beweis dass es gleich vorbei sein dürfte.

Inzwischen schrie die Frau vor mir flehend und schluchzend immer noch den alten Allah an, dass ich’s einfach nicht mehr aushielt und nach vorne brüllte sie solle die Fresse halten. Grauenvoll, echt, wo ist denn da die Würde!? Wenn schon untergehen, dann doch wenigstens mit Würde. Das hat mich am meisten schockiert muss ich sagen. Also neben der Tatsache dem Tod so nahe zu sein konnte ich nicht fassen wie die allermeisten Menschen ihre Würde wegschmeißen, lauthals heulen und sich von der Panick beherrschen lassen. Als würde das irgendwas an der Situation verändern. Es macht alles nur noch viel schlimmer zu ertragen. Man stirbt doch nur einmal im Leben, da könnte man schon was dran setzen das Ereignis so erträglich wie möglich zu gestalten. Ich hab dann auch noch ein paar Tränen geweint als wir tatsächlich mit anderthalb Stunden Verspätung doch noch sicher gelandet sind und der Boden unter uns so schön hart und safe zu spüren war. Ich hatte ihn so lieb, den Boden, ich hätte ihn am liebsten umarmt und geküsst, wie der Papst nur mit viel mehr Leidenschaft.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal zu den Leuten gehören würde die klatschen wenn das Flugzeug auf der Landebahn einrollt, aber diesmal war ich voller Begeisterung mit dabei. Lustig war auch, als eine der Kotzerinnen kurz nach der Landung nach hinten Richtung Stewardess-Kabine schrie ob sie ein Glas Wasser haben könne und die Stewardess etwas gequält antwortete „First I have to clean myself“. Ich saß zwar daneben aber ich hab mich blöderweise nicht getraut den Vorhang aufzuziehen.

Im Flughafengebäude angekommen

musste ich feststellen, dass mein Anschlussflug nach Lima schon weg war. Ich verbrachte daraufhin fünfeinhalb Stunden in der Schlange zum Transfer-Schalter weil natürlich – Elon* und Felix** sei Dank- ganz viele Leute Probleme mit ihren Anschlussflügen hatten. Noch nie hab ich so unbeschwert in einer Schlange gestanden. So gern auch, so wohlbehütet. Während andere Leute sich über die lange Wartezeit beschwert haben, war ich einfach nur so unglaublich froh, Teil dieser unglaublich safen Schlange zu sein. Ein Gefühl das bis jetzt noch anhält. Ich bin so unbeschreiblich glücklich auf dem Boden. Und ich sitz auch gern noch die ganze Nacht in der Hotelbar und freu mich schnitzelartig meines Lebens.

Ich frag mich allerdings warum ich hier sitze und alles bezahlt kriege. Die Verspätung war ja wetterbedingt, dacht ich, das ist doch höhere Gewalt. Da muss doch die Fluggesellschaft kein Hotel bezahlen. Hm!? Oder war da doch was am Flugzeug kaputt?! Wurscht. Ich denke jetzt jedenfalls, dass ich durch diesen Vorfall meine Flugangst überwunden habe. Weil jetzt wo ich weiß was in der Luft an Turbulenzen auch möglich ist und die Tatsache dass man sowas überleben kann zeigt mir ja, dass die Turbulenzen vor denen ich immer schon so Angst hatte ein Spatziergang sind.

Ich hab euch alle so lieb!
Heut noch lieber als sonst eh schon 😉

*Sturmtief
**Kältetief

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Svenja

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