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Prokrastinieren bei der Bachelorarbeit

Prokrastination bei der Bachelorarbeit: Frau sitzt im Schneidersitz auf dem Bett und tippt auf ihrem Laptop
Geschrieben von Joey

Seit nun fast einem Jahr habe ich das Thema für meine Bachelorarbeit. Ein Dozent an meiner Uni hatte eine Rund-Mail an seine Studierenden geschickt, mit einem Themenvorschlag, der mich sehr ansprach. Also bewarb ich mich darauf. Ich gab mir richtig Mühe, verfasste als einzige Bewerberin ein Exposé und schnappte mir so mein Traum-Thema. Es sollte eine Ethnografie zur Subkultur der Pokémon-Go-Spieler werden. Mit der Frage nach potenziellen Bildungschancen des Augmented-Reality-Games. Sozialwissenschaft gepaart mit glücklichen Kindheitserinnerungen: Für mich hörte sich das wie das perfekte Thema für meine Bachelorarbeit an! Bis ich anfing, mich reinzuarbeiten.

Eine Ethnografie ohne Subkultur?

Das Erste, was ich verbittert feststellen musste war: Der Hype um Pokémon Go war vorbei, als ich – einige Monate nachdem ich mir das Thema geschnappt hatte – mit meiner Forschungsarbeit loslegen wollte. Kaum jemand nutzte die App noch regelmäßig.

Ganz toll, eine Ethnografie ohne ethnische Gruppe, die es zu untersuchen gilt? Das stellte mich zunächst vor ein Riesenproblem. Ich zweifelte zum ersten Mal an meinem Thema. Würde ich noch Spieler ausfindig machen können, die ich untersuchen konnte? Ich hatte mir im Rahmen meiner Feldforschung nämlich vorgenommen, so viele Spieler wie möglich zu begleiten und währenddessen immer mal wieder eine, für meine Forschung wichtige, Frage in den Raum zu stellen. Das erübrigte sich nun erst einmal. Ich steckte fest. Also entschied ich mich dazu, mich zunächst dem theoretischen Teil meiner Bachelorarbeit zu widmen: Literatur finden und Begriffe definieren. Vielleicht würde mich das ja irgendwie weiterbringen.

Keine Literatur = keine Quellen

Bachelorarbeit: Literatur - viele Lehrbücher stehen in zwei Regalen

Abgesehen von den wenigen Begriffen, die sich in meinem vorläufigen Titel befanden (denn offiziell angemeldet hatte ich die Arbeit noch nicht), gab es nicht sonderlich viel zu definieren. Das würde die 50 Seiten nicht füllen, die ich mindestens abgeben musste. Mein Literaturverzeichnis enthielt bisher vielleicht 3 Quellen, was für eine Bachelorarbeit diesen Umfangs doch eher viel zu wenig ist. Aber was genau hatte ich eigentlich erwartet?

Es handelte sich schließlich um eine App, die gerade erst auf dem Deutschen Markt erschienen war. Woher sollte es dazu denn jetzt schon Literatur oder ähnliche Forschungen dazu geben? Zugegebenermaßen hatte ich damit wenigstens schon gerechnet. Mein Dozent, an den ich mich hilfesuchend wandte, erklärte mir dann, dass meine Notizen aus der Feldforschung als Quellen ausreichen würden. Notizen aus der Feldforschung – da war doch was. Ach richtig! Es gab keine! Ich merkte schon, dass ich mich im Kreis drehte. Also war ein erneuter Richtungswechsel gefragt.

Spielst du noch Pokémon Go?

Bachelorarbeit: Pokémon Go App

Ich musste mich wohl doch zuerst um die kleine Randgruppe kümmern, die nach wie vor Pokémon Go spielte. Also machte ich mich daran, meinen Freundeskreis abzugrasen. Und tatsächlich: ein paar erklärten sich bereit, die App noch einmal auszugraben und mit mir auf Poké-Tour zu gehen! Das half mir auf der einen Seite enorm, weil so natürlich Input entstand, den ich alleine nicht hätte generieren können. Auf der anderen Seite wurde mir aber schnell bewusst, dass mein Thema eher unpassend zu sein schien. Niemand hatte auch nur einen einzigen Gedanken oder Indikator dazu, was Pokémon Go mit irgendeiner Art Bildung zu tun haben könnte – ich im Übrigen auch nicht. Schöne Scheiße!

Ein neues Thema muss her!

Das war der Moment, in dem ich so ziemlich alles über den Haufen warf, was ich mir bisher zurechtgelegt und erarbeitet hatte. Ich beschloss, noch einmal mit einem Spieler auf Tour zu gehen. Dieses Mal allerdings ohne vorab bestimmte Eingrenzungen was das Thema anging. Meine letzte Chance bestand darin, offen zu bleiben und zu sehen, wohin meine Forschung mich trieb.

Damit kam ich eigentlich so überhaupt nicht klar. Ich hatte in meiner Studienzeit bisher schon die ein oder andere Hausarbeit geschrieben. Einige beinhalteten als Übung für die Bachelorarbeit bereits sogenannte empirische Methoden, zu denen die Ethnografie am Rande auch gehört.

Ich hatte beispielsweise Seminararbeiten in den Methoden Experiment und Inhaltsanalyse. Beide haben einen sehr geradlinigen Aufbau mit etlichen Vorschriften, die einzuhalten sind. Das war für mich perfekt, denn aus diesen Vorschriften bastelte ich mir einen ziemlich genauen Leitfaden, beziehungsweise eine To-Do-Liste, die ich nur noch abarbeiten musste. So in etwa wollte ich auch an meine Bachelorarbeit ran gehen. Das funktionierte jetzt allerdings nicht mehr.

Lass dich inspirieren!

Gesagt getan. Ich schnappte mir meinen besten Freund und wir gingen auf Pokémon-Jagd. Ich zeichnete ihn die ganze Zeit über mit einer Video-Kamera auf, damit ich das Bildmaterial als Quelle verwenden konnte. Erst beim Transkribieren fiel mir ein Satz von ihm auf, der alles ändern sollte. Er beteuerte anhand eines Beispiels den Ehrgeiz, den er in das einfache Spiel steckte und dass er dank Pokémon Go auch für andere Dinge, die er sich vorgenommen hatte, wieder etwas mehr Motivation aufbringen konnte. Ich begann genauer darüber nachzudenken und voilá: Stolperte dadurch zufällig über ein anwendungsfreundlicheres Thema, welches sich wirklich ziemlich gut untersuchen ließ und sich zudem teilweise mit anderen Interessen von mir überschnitt. Einziges Problem: Ich hatte mittlerweile wirklich nicht mehr viel Zeit.

Under Pressure

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Ich vereinbarte, mit meinen neuen Erkenntnissen und etwas Angst im Hinterkopf, einen Termin mit meinem betreuenden Professor – der sich wahrscheinlich wunderte, ob ich noch lebte oder womöglich auf dem Rücken eines Gluraks das Land verlassen hatte. In der Sprechstunde berichtete ich ihm von meinen Erfahrungen und unterbreitete ihm den Vorschlag, das Thema und den Titel meiner Bachelorarbeit noch einmal sehr kurzfristig zu ändern. Er war zum Glück einverstanden und von der unerwarteten Wendung sogar sichtlich angetan. Phew – das war knapp! Dankbar und beruhigt machte ich also – endlich – meine Anmeldung absende-fertig. Nun blieben mir lediglich einige Wochen, um 50 Seiten Fließtext zu verfassen.

Und die Moral von der Geschicht‘:

Prokrastiniere bei der Bachelorarbeit nicht!

Ich würde dir jetzt gerne Mut machen und dir sagen: keine Sorge, es hat trotz des Aufschiebens alles noch super hingehauen und ich habe meine Bachelorarbeit mit einer 1,0-Punktlandung bestanden! Doch das kann ich leider nicht, weil ich sie immer noch nicht abgegeben habe. Von „einigen Wochen“ sind mittlerweile „einige“ bereits vergangen und ich habe, dank täglichem Durchpowern, knapp 30 Seiten geschafft. Nichtsdestotrotz bleibt es eine knappe Angelegenheit, die mit unendlich viel Druck verbunden ist, den man hätte vermeiden können. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, habe ich mir selbst mal wieder ziemlich viele Steine in den Weg gelegt. Damit meine Fehler aber nicht gänzlich für die Katz waren, hier eine kurze Bilanz, die dir hoffentlich einiges an Stress ersparen kann.

Worin lagen meine Fehler und was kannst du besser machen?

Wahl des Themas

Ich habe das Thema beziehungsweise den fertigen Titel der Bachelorarbeit gesehen und mir lediglich gedacht: „Cool, klingt interessant. Damit kann man bestimmt einiges machen. Nehme ich!“ Das war, im Nachhinein betrachtet, selbst für mich ein wenig zu spontan. Ich hätte mir von Anfang an mehr Gedanken um das Thema machen müssen, eventuell Begriffe wie Bildungschance genauer recherchieren und/oder definieren sollen. Vor allem aber hätte ich das Thema besser auf mich beziehen müssen. Nur weil etwas einigermaßen interessant klingt, heißt das noch lange nicht, dass es auch interessant bleibt, wenn man es zum Forschungsgegenstand macht.

Mein erster Tipp:

Wenn du ein vorgefertigtes Thema für dich wählst, nimm es ganz genau unter die Lupe. Welche Definitionen verbergen sich hinter den Begriffen? Kannst du damit längerfristig und ausführlich arbeiten? Gibt es dazu bereits andere Studien, an denen du dich orientieren und aus denen du zitieren kannst? Ich würde allerdings eher dazu raten, dir selbst ein Thema zu suchen und daraus, zusammen mit deinem Betreuer, einen individuellen Titel zu erarbeiten. Dann merkst du bei der Vorarbeit bereits, ob das Thema zu dir passt und das Potenzial hat, auch nach 30 Seiten und etlichen Arbeitsstunden noch von Interesse zu sein.

Wahl der Methode

Eine Ethnografie ist an sich eine sehr interessante Methode, die dem/der Forscher/in relativ viel Spielraum lässt. Wem so viele Freiheiten beim wissenschaftlichen Schreiben taugen, der ist damit bestens aufgehoben. Ich bräuchte allerdings eher klare Rahmenbedingungen, an die ich mich halten kann.

Daher mein zweiter Tipp für dich:

Wenn du ebenfalls verpflichtet bist, eine bestimmte wissenschaftliche Methode in deiner Abschlussarbeit anzuwenden, schau sie dir im Vorfeld an und versuche herauszufinden, inwieweit sie zu dir passt. Widerspricht sie gänzlich deiner üblichen Herangehensweise, solltest du eventuell überlegen, nach einer anderen Methode vorzugehen.

Angst vorm Anfangen / zu hohe Erwartungen

Die Bachelorarbeit ist nicht zu unterschätzen. Sie ist die letzte Hürde, die im Studium zu meistern ist. Sie ist weitaus umfangreicher als jede Prüfung, die zuvor abgelegt wurde. Daher kann sie ziemlich bedrohlich wirken. Ich hatte irgendwann so einen großen Respekt vor ihr, dass ich mich gar nicht getraut habe, einen Anfang zu machen. Zusätzlich habe ich mich selbst unter Druck gesetzt, weil sie doch immerhin 1/3 in die Gesamtnote mit einfließt. Meine vorläufige Bachelornote, ohne die Arbeit, ist ziemlich gut. Weshalb ich relativ hohe Erwartungen an mich selbst hatte, damit ich mir die Note mit der Bachelorarbeit nicht versaue. Mit zu hohen Erwartungen an sich selbst ist jeder Anfang schwer, denn die Angst zu versagen, kann lähmen.

Mein dritter Tipp:

So banal es klingt, versuche deine Zeit so gut zu gliedern, wie es nur geht. Schreibe dir deine Aufgaben in einen Stundenplan und versuche diesen immer wieder zu aktualisieren. Mache dir außerdem jeden Morgen, kurz bevor du mit dem Schreiben beginnst, einen realistischen Tagesplan. Somit ist dir das Ausmaß deiner Bachelorarbeit zu jedem Zeitpunkt bewusst und zeitintensive Aufgaben können für dich keine erschreckende Überraschung sein. Fange mit etwas Leichtem an. Ich zum Beispiel habe den Einstieg gefunden, indem ich ganz einfach damit angefangen habe, die Pokémon-Spiele für den Gameboy zu beschreiben, da mir diese von früher noch bekannt waren.

Es geht nicht darum, dass du dich an deine Gliederung hältst oder mit den Begriffsdefinitionen beginnst, sondern dass du überhaupt einen Anfang findest. Das ist die größte Hürde. Hast du diese überwunden, musst du lediglich darauf achten, dass du kontinuierlich am Ball bleibst. Lege am besten keine längeren Schreib-Pausen ein, sonst wirst du aus der Thematik so herausgerissen, dass es schwer wird, den Einstieg wieder zu finden.

Außerdem hilft es, die ganze Sache so zu betrachten: Bist du perfektionistisch, was die Aufgaben angeht, die du zu bewältigen hast, ist es viel sinnvoller früh zu beginnen. Denn wenn du wirklich in Zeitdruck gerätst, kannst du deinen Perfektionismus erst einmal vergessen. Dann heißt es nämlich: Quantität vor Qualität. Und das widerspricht doch eigentlich deinem Ziel, oder nicht?

Prokrastinieren

Abgesehen von der Angst vorm Anfangen, empfand ich natürlich auch eine gewisse Unlust, diesen Berg an Arbeit, den so eine Bachelorarbeit mit sich bringt, zu erledigen. Ich hatte mir nie wirklich als Ziel gesetzt, mein Studium in der Regelstudienzeit durchzuziehen und hatte daher quasi alle Zeit der Welt für meine Bachelorarbeit. Noch dazu bin ich eher der Typ für Sprints, auch was Lernen für Klausuren angeht. Die Bachelorarbeit allerdings ist ganz klar ein Marathon. Sie vor sich her zu schieben, erwies sich allerdings als ziemlich unklug.

Mein vierter Tipp:

Was dir wahrscheinlich ziemlich jeder sagt: Fange rechtzeitig an. Entweder du tendierst dazu, die Bachelorarbeit zu unterschätzen, was ziemlich gefährlich ist. Oder du überschätzt sie, was auch nicht wirklich besser ist. Wenn du, so wie ich auch, einen gewissen Druck zum Arbeiten brauchst, dann mach ihn dir besser früher selbst, als dass du am Ende in echte Zeitnot gerätst.

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Über den Autor/die Autorin

Joey

Das Leben ist kein Wunschponyschlecken. :)

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