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Warum das Studium heute nicht mehr die „schönste Zeit des Lebens“ ist

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Geschrieben von The Deepblue Society

Das Studium soll ja bekanntermaßen die schönste Zeit des Lebens sein. Nach einigen Jahren Studium habe ich bisher aber noch niemanden getroffen, der das behauptet oder tatsächlich so erlebt. Überhaupt kann man schon froh sein, wenn jemand sein Studienfach mag und ernsthaftes Interesse daran hat. Wieso also sollte dieser Lebensabschnitt für Studenten der schönste sein? Weil alle anderen Lebensabschnitte schlimmer sein sollen? Aber beginnen wir von vorn:

Ursache: Das Klischee des faulen Studenten

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Eine Ursache für diese Annahme unserer Eltern und Großeltern dürfte sicherlich in der Vorstellung des faulen Studenten begründet liegen. Denn dieser ist nicht tot zu kriegen. Dass du als Student viel Zeit hast, gilt als sicher. Und damit gibt es auch keine legitimen Gründe, sich über Probleme im Studium auszulassen – die hast du ja schließlich selbst verschuldet. Der faule Student tapst entsprechend frühestens um 12 Uhr in die Uni und lässt sich erstmal mit Kommilitonen in der Mensa nieder. Nach zwei Stunden Getratsche und seligem Kaffee-Geschlürfe verduftet er in die Bibliothek. Dort sucht er eine halbe Stunde lang Bücher für seine Hausarbeit zusammen und geht dann wieder nach Hause, wo er weiter chillt.

Studenten haben heute mehr Stress als früher

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Dummerweise ist diese Vorstellung nur ein veraltetes Klischee, das heute in kaum einem Studiengang noch anzutreffen ist. Durch Bachelor- und Master-Reform müssen jedes Semester Prüfungen erbracht werden, deren Noten von Anfang bis Ende zählen. Und die Noten für eine Master-Zulassung müssen stimmen, sonst gibt es keinen Master-Platz. In Staatsexamens-Fächern gibt es zwar weniger kontinuierlich begleitende Prüfungen, dafür aber sehr große Prüfungen, die einen nach mehreren Jahren noch aus dem Studium kicken können. Jura ist dafür ein klassisches Beispiel.

Auch in BA-/MA-Fächern mit geringeren Präsenzzeiten muss etwas getan werden. In der vermeintlichen „Freizeit“ wird wissenschaftliche Literatur gelesen, Referate werden vorbereitet und Hausarbeiten geschrieben.

Womit wir beim nächsten Punkt angelangt sind:

Das Studium als Ausbildungsphase: Der Druck ist riesengroß

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Das Studium ist heute weitestgehend als Ausbildung angelegt und nicht mehr als Bildung. Eine Ausbildung dient ganz zweckmäßig der Erlangung einer späteren Erwerbstätigkeit. Bildung hingegen ist erstmal als zweckfrei zu verstehen und dient vor allem der Charakterbildung. Mit der BA-/MA-Reform wurden die meisten Studiengänge verstärkt auf „employability“ ausgerichtet; das Studium dient immer stärker dazu, bestimmte „Kompetenzen“ abzuprüfen und ist weniger als Teil einer selbstbestimmten Bildungsbiographie gedacht.

Hinzu kommt der allgemeine wirtschaftliche und gesellschaftliche Druck durch die Globalisierung und die Verschärfung der Konkurrenz auf allen Ebenen – vom Leiharbeiter bis zum Studenten.

Volle Stundenpläne und viel Ehrgeiz

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Deswegen packen sich viele Studenten nicht nur ihren Stundenplan, sondern auch ihre Freizeit voll. Zusätzlich zum normalen Stoff werden Sprachkurse, EDV- und IT-Kurse oder ergänzende Kurse aus anderen Fächern belegt, um besser für den Arbeitsmarkt gewappnet zu sein. Auch mehrere Auslandsaufenthalte müssen schon drin sein. Und in der vorlesungsfreien Zeit, in der eigentlich Klausuren und Hausarbeiten anstehen, werden zusätzlich auch noch Praktika absolviert.

Außerdem sollten die Noten natürlich nicht nur „gut“, sondern „sehr gut“ sein. Gesammelt werden Kurse, ECTS, Ehrenämter, Noten und Auslandsaufenthalte. Es gibt kaum etwas, was nicht gesammelt wird. Die Frage ist bloß: Wann und wo endet das? Weil kein Ende in Sicht ist im sich-selbst-verbessern , „jagen“ und „sammeln“ viele von uns immer weiter, bis zur Erschöpfung.

Das liebe Umfeld

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Bei all dem Druck löst sich „la dolce vita“ des Studenten schnell in Luft auf. Zu allem Überfluss können es auch übermäßig interessierte Verwandte kaum abwarten, über dein Studium oder Studienfach herzufallen. Entweder sie sticheln, ob du auch ordentlich studierst oder sie fragen dich jedes Mal die Lieblingsfragen aller Fragen: „Und was macht man nach dem Studium damit?“. Implizit schwingt auch stets die Unterstellung des „faulen Studenten“ mit, sprich: „Gehst du auch regelmäßig in die Vorlesungen?“ Der Druck ist also von allen Seiten da.

Nagende Unsicherheit überall

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Und das verunsichert. Die Uni stellt in Frage, ob man das Studium inhaltlich und organisatorisch packt. Die Verwandten hinterfragen, ob man überhaupt „richtig“ an der Uni ist oder ob man nicht nur zum Faulenzen dort ist. Und spätestens nach dem zweiten Semester stellst du dir all diese Fragen selbst. Interessiert mich mein Fach? Pack ich das Studium? Tu ich genug für mein Studium?

Gerade letzteres sorgt für ein Dauer-Schuldbewusstsein. Für das Studium kann man schließlich immer etwas tun. Das macht es schwer, sich Auszeiten zu nehmen oder wenigstens einen kleinen Teil der berühmt-berüchtigten Semester“ferien“ als Ferien zu genießen – wenn dazu überhaupt Zeit bleibt, zwischen unbezahlten Praktika, Klausuren und Hausarbeiten.

Und während sich die einen Studis fragen, ob es richtig war, lieber auf das interessantere Fach zu setzen als auf das vermeintlich „sichere“ Studienfach, fragen sich die anderen, ob sie ihr vermeintlich „sicheres“ Studienfach nicht doch lieber gegen das sie eigentlich interessierende Fach austauschen sollten.

Und noch etwas bleibt unbeantwortet: Lohnt sich all das überhaupt? Die ständige Lernerei, das Jobben und das Praktikanten-Dasein, das Dauer-Schuldbewusstsein und die ständige Unsicherheit?

Kompromisse finden

Egal wie interessiert und idealistisch man an sein Studium herangeht, irgendwann ist oft die Luft raus und die Uni „entzaubert“. Vielleicht hilft es dann, kompromissbereiter an das Studium heranzugehen. Man muss nicht immer die beste Studentin oder der fleißigste Student sein. Man muss nicht immer und ständig was für sein Studium tun. Und man muss nicht in jeder freien Sekunde seinen Lebenslauf optimieren. Natürlich ist es wichtig, sich relevantes Wissen und bestimmte Kompetenzen anzueignen, die im Berufsleben später nützlich sind. Aber das intrinsische Interesse, der wahre Bildungshunger und der Spaß sollten nicht gänzlich auf der Strecke bleiben, oder?

Erwartungen reduzieren und das Beste draus machen

Das Studium ist nicht mehr das, was es einmal war. Also lass den Mythos der „schönsten Zeit Deines Lebens“ hinter dir und schraub die Erwartungen runter. Viel wichtiger ist es, für sich selbst eine Vision eines interessanten und guten Studiums zu schaffen. Werde dir über folgende Fragen bewusst:

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Wie viel freie Zeit willst du dir nehmen? Und was willst du in dieser Zeit machen? Gibt es Erfahrungen oder Inhalte, die du später nicht mehr so einfach machen kannst wie zur Studienzeit? Was ist jetzt schon gut und was würdest du besser machen? Wie stellst du dir ein entspanntes und interessantes Studium vor?

Reduziere deine Erwartungen an das Studium, lass dich auch mal einen Moment treiben und entwickle eine realistische Vision eines guten Studentenlebens für dich. Wenn du diese Vision kennst, hilft dir das vermutlich mehr als all die überholten Klischees über die „schönste Zeit des Lebens“.

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Über den Autor/die Autorin

The Deepblue Society

Soziologiestudentin, die gerne in unbekannte soziale Welten eintaucht - jetzt auch in die Blogosphäre.

1 Kommentar

  • Da studieren wohl viele an der Akedemimimimi. Selbst befinde ich mich grade in der Endphase meines Maschinenbau-Masters. Und ganz ehrlich? Es ist die schönste Zeit im Leben. Trotz Prüfungsstress. Denn es ist die einzige Zeit im Leben, in der man sich seine Nicht-Freizeit trotzdem großteils frei Einteilen kann. Das können nur die wenigsten Studenten wirklich beurteilen. Schule war zwar auch nicht wirklich frei, aber trotzdem Larifari. Wer aber vor dem Studium eine Ausbildung gemacht hat und vlt sogar noch einige Jahre gearbeitet hat, der wird das zu schätzen wissen.
    Und zum Thema: „kaum jemand, den ich kenne, empfindet es als schönste Zeit“ und „die ständigen Zweifel, ob man das richtige Fach studiert“: mir kömmt es so vor (und es deckt sich ja auch mit dem Bildungsreport), das heute viele einfach nur studieren, um zu studieren. Wer dreimal das Fach wechselt, hat keine Ahnung, wo er hinwill im Leben. Der studiert nur, um keine Ausbildung machen zu müssen. Mit der er meist füher und vor allem mehr Geld verdienen würde als mit seinem Fach. Viele Studenten wären heute wirklich in einem Lehrberuf besser aufgehoben. Denn die, die Wissen, was sie im Leben wollen, die zweifel nicht an ihrer Fachwahl, die packen ihr Studium und die empfinden das Studium trotz allem Stress nicht als Belastung.

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