Studentenbeiträge

Post-Prüfungs-Entlastungsdepression

Legomännchen mit zerknirschtem Gesichtsausdruck an einem Schreibtisch zum Thema Entlastungsdepression im Studium
Geschrieben von juli

Post-Prüfungs-Entlastungsdepression

Studienspannung, Studienstress, Dinge, die ich eh vergess, Dinge, die zum Leben retten, auch mal meinen Frust erwecken. Lese dies, lerne das, denk mit, „ey, wo bleibt der Spaß.“ Träume auch von Feiern, Feten, Sommer und Du-weißt-schon-was.“ (Song Medimeisterschaften Freiburg)

Ich bin sicher, der/die ein oder andere von euch kennt das: Man sitzt tage- und nächte-, wochen-, vielleicht sogar monatelang in der Bib oder am Schreibtisch. Draußen wird es jeden Tag wärmer. Irgendwann heiß. Statt an den See zu fahren, besorgst du dir einen Tischventilator. Wenn du dich mit Freunden triffst, dann im Rahmen einer Lerngruppe. Oder aber für ein schnelles Eis. Für den Fall, dass dein Freund/deine Freundin nicht pünktlich ist, hast du – natürlich – Lernkarten in der Hosentasche.

Du träumst. Davon, ins Wasser zu springen und diese tausend Tropfen in der Sonne glitzern zu sehen. Zehn Stunden lang eine Serie zu gucken. Ein aufwendiges Gericht zu kochen. Im Park zu liegen, mit Freunden oder allein und einfach mal nichts zu tun, gar nichts, die Stunden verschwimmen, aus dem sonnigen Nachmittag wird ein kühler Abend, keine Stimmen in deinem Kopf, keine panischen Whatsappnachrichten irgendwelcher Seminargruppen, keine Lernpläne, die an ein Zwangskorsett erinnern.

Aber, wie gesagt, das sind alles nur Träume. Die Realität findet in den klimatisierten Räumen der Bibliothek statt. Zeitig aufstehen. Und dann abends im Bett noch schnell ein paar Altfragen textmarkern.

Entlastungsdepression und die Realität

Und diese Realität macht vielleicht keinen Spaß, aber du kommst klar. Bist diszipliniert, motiviert, ehrgeizig. Strukturierte Tagesabläufe geben Halt. Wenn du ausbrechen willst, denkst du an all das, was du tun wirst, wenn diese Prüfung vorbei bist und dann schaffst du es, die nächste Seite aufzuschlagen und dir noch einmal hundert Fakten mehr ins Hirn zu hämmern.

Ist die Prüfung vorbei, kommst du plötzlich nicht mehr klar.

Nach zwei Tagen feiern und Bett, ist da plötzlich diese Leere.

Aufstehen? Wozu?

Die Serie? Die war doch vor der Prüfung noch so gut? Wo ist die Spannung hin?

Kochen? Müsli tuts auch.

Freunde treffen? Nee, viel zu anstrengend.

Hobbies? Was hatte ich noch mal für Hobbies? Womit habe ich bitte meine Tage gefüllt, damals, vor der Lernerei, was definiert mich eigentlich außer meiner Studienrichtung, was macht mir Spaß, wer bin ich überhaupt?

Sicher weiß ich nur, dass ich müde bin. Koffeinentzug? Oder steckt mehr dahinter?

Als wäre alles sinnlos geworden. Eine innere Leere. Post-Prüfungs-Belastungsstörung.

Damit habe ich Google gefüttert.

Heraus kam: „Entlastungsdepression.“

Entlastungsdepression und ihre Definition

Definiert durch Antriebslosigkeit und Interessensverlust. Ein Zustand herabgesetzter Affektivität, anhaltender Melancholie. Man weiß, alles ist in Ordnung, man ist gesund, Prüfung ist vorbei, Wetter ist schön, man hat – kaum zu glauben, aber wahr – drei Monate frei. Und trotzdem könnte man heulen.

Psychologen beschreiben diesen Zustand als eine Bezahlung für das vorherige Funktionieren. Die Seele besteht darauf, dass man sich wieder an sie erinnert. Ihr ein bisschen Beachtung schenkt. Sie holt nach, dass sie während der stressigen Zeit so viel nicht sein durfte.

Eine Entlastungsdepression kommt meistens zustande, wenn das zu erreichende Ziel von außen vorgegeben war. Durch Prüfer und fixe Termine. Der Prüfling selbst kann seiner Situation nicht ausweichen, also gibt er alles, was er hat. Für eine solche Depression prädisponiert ist also, wer sich ausschließlich auf diese eine Sache fixiert. Wer Hobbys, Sport und Beziehungen während des Lernens ausklammert. Wem jede Struktur fehlt, wenn ihm mit Abgabe der vollgeschriebenen Blätter schließlich der Tagesinhalt genommen wird.

Ja und ein weiteres Indiz auf eine Entlastungsdepression ist dann die Reaktion auf das Prüfungsergebnis selbst. Du hast bestanden und eigentlich ist das der Hammer. Eigentlich ist es megageil, eigentlich solltest du vor Freude aufspringen.

Aber es ist dir fast gleichgültig. Vielleicht ist da ein wenig Erleichterung. Vielleicht spürst du noch einmal die überstandene Erschöpfung. Von Freude ist da keine Spur. Dein Hirn kapiert zwar, dass etwas großartiges gelungen ist, aber dein Bauch denkt nur, nie wieder. Das war es nicht wert. Wie konntest du dich so verausgaben für diese eine Prüfung?! Bitte, bitte nie wieder.

Entlastungsdepression und was helfen soll…

Was hilft, so Psychologen, ist sofortige Ablenkung. Am Tag nach der Prüfung in den Urlaub starten oder in den Ferienjob. In ein Loch fällt, wer keine Zerstreuung oder keine Struktur hat. Man muss sich wieder mit sich selber auseinandersetzten, schon klar. Aber in der Phase einer Entlastungsdepression ist der Betroffene davon überfordert. Der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, statt ausschließlichem Chillen; neue Reize und viele Impulse, das hilft. Schlagwort „viele“. Problem vorher war, dass es nur noch das „eine“ gab. Irgendwann kapiert man dann wieder, dass nicht alle Bücher Lehrbücher sind und dass ein Volleyballspiel mehr ist, als den Regeln des Schiedsrichters zu gehorchen.

„Was machst du denn da?“ „Nix.“ „Das hast du doch gestern schon gemacht.“„Bin nicht fertig geworden.“

Vielleicht kennt ihr dieses Zitat. Und vielleicht habt ihr ähnliche Erfahrungen auch schon gemacht. Wir wissen ja, dieser Zustand wird vorüber gehen. Der Sommer ist lang. Da ist es eigentlich nicht so schlimm, wenn man die erste Zeit im ungelüfteten Zimmer liegt und sich fühlt, wie mit nassem Schaumstoff ausgestopft. Kann man ja vielleicht in der nächsten Prüfungsphase besser machen.

Oder halt auch nicht.

Keine Ahnung.

Nicht so cool, das alles.

 

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Über den Autor/die Autorin

juli

1 Kommentar

  • Wow, diese Beschreibung hat perfekt auf mich und meine vorherigen Zustände nach der Klausurphase zugetroffen. Insbesondere die fehlende Freude über das Bestehen habe ich auch deutlich krasser wahrgenommen als zu vor. Es fängt immer 1-2 Monate vor den Klausuren dass ich und mein ganzes studentisches Umfeld dann in ein Loch fallen. Interaktion mit Freunden um runterzukommen? Fehlanzeige. Aber da ich mein ganzes Umfeld vorgewarnt habe lässt es sich deutlich erträglicher „Leben“ . Heute ist der zweite Tag nach meiner letzten Klausur und ich spüre einfach nur wie schwer es mir fällt mit anderen Menschen zu interagieren ( Ist für mich auch das ärgerlichste). Zuvor bin ich in meinen ersten 3 Klausuren wenig rausgegangen , das habe ich zum Glück aber steigern können um nicht komplett den Anschluss an die Gesellschaft zu verlieren. Nach meiner zweiten Klausurphase habe ich ungefähr 3 Wochen gebraucht ,um wieder normal zu werden… Bin einfach nur froh dass es bald ein Ende haben wird und wünsche jedem nur ein schnellstmögliches rauskommen aus diesem Zustand.

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