Medizinstudenten Studentenbeiträge

Gentechnik – das Spukgespenst der Wissenschaft

DNA Doppelhelix mit einem Geist und einem Menschen im Hintergrund zum Thema Gentechnik
Geschrieben von Bienchen

Gentechnik. Herzlich Willkommen zu Ihrer persönlichen Führung durch unser Geisterschloss.

Auf Ihrer linken Seite sehen Sie eine der schaurigsten Figuren, die die Wissenschaft zu bieten hat: die Gentechnik

Neben Impfungen und der Tatsache, dass die Erde rund ist, wohl eine der beängstigendsten Erfindungen der Menschheit. Ich lade Sie nun herzlich ein, mich auf eine Reise durch die Hintergründe dieser Bedrohung zu begleiten.

Was ist Gentechnik? –  Von der DNA zum Protein

Unter Gentechnik fällt alles, was gezielte Eingriffe in das Genom (Erbgut) eines Lebewesens ermöglicht.

Um das zu verstehen, muss zunächst eine kurze Unterrichtsstunde in Biologie her.

Das Genom ist die Gesamtheit der Erbinformationen eines Lebewesens. Die Erbinformationen werden als einzelne Gene in Form von DNA gespeichert. DNA oder auf Deutsch DNS (Desoxyribonucleinsäure) ist ein Makromolekül, welches eine Art Code darstellt. Sie ist aus Nukleotiden aufgebaut, welche wiederum aus drei Bestandteilen bestehen. Einem Phosphat-Zuckerrückrat und einer Base. Die Base ist dabei der Faktor, der zwischen den Nukleotiden variiert. Man unterscheidet die Basen Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin.

Das Makromolekül DNA kann man sich als eine winzige Wendeltreppe vorstellen, bei der das Phosphat-Zuckerrückrat das Geländer darstellt, während die Basen die Treppenstufen bilden. Dabei verpaaren sich immer zwei ganz bestimmte Basen, um eine Treppenstufe, ein Basenpaar, zu bilden (Guanin und Cytosin, sowie Adenin und Thymin).

Soweit so gut. Was nützt nun dieser Aufbau der DNA?

Wir wissen nun also, dass die DNA aus Basenpaaren aufgebaut ist. Eine Abfolge von drei Basenpaaren in bestimmter Kombination, wird als Codon bezeichnet und codiert für eine ganz bestimmte Aminosäure. Die DNA ist also ein verschlüsselter Code für die Reihenfolge von Aminosäuren.

Aminosäuren sind dann wiederum die Grundeinheit eines Proteins, wobei die Aminosäuresequenz (Reihenfolge) die Faltung und Eigenschaften des Proteins bestimmt.

Der Prozess von DNA bis Protein ist etwas langwieriger und komplizierter als beschrieben, aber im Grunde kann man folgendes festhalten:

Ein Gen ist ein DNA-Abschnitt mit einer bestimmten Basenabfolge, welche durch Übersetzung in RNA (unterscheidet sich von der DNA im Aufbau des Zuckers und enthält Uracil an Stelle von Thymin) und einer weiteren Übersetzung mittels Ribosom und t-RNA  in Aminosäuren die Information für den Bauplan eines Proteins enthält.

Für was sind Proteine überhaupt gut?

Proteine sind Makromoleküle, die an unterschiedlichsten Prozessen im Körper/Organismus beteiligt sind. Als Enzyme konvertieren sie Substanz A zu Substanz B und sorgen so zum Beispiel dafür, dass aufgenommene Nahrung in ihre Bestandteile zersetzt und so für den Organismus nutzbar gemacht wird.

Proteine können aber auch an die DNA binden und so die Herstellung weiterer Proteine induzieren oder inhibieren. Außerdem sind sie als Strukturproteine an Aussehen und Funktion der Zelle beteiligt. Sie geben Zellen ihre Form und Geweben ihre Festigkeit und Elastizität.

Proteine sind in Form und Funktion hoch variabel und das hängt von ihrer Aminosäurezusammensetzung ab. Beim Menschen gibt es 21 proteinogene Aminosäuren, die beliebig angeordnet werden können. Das ergibt theoretisch unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten.

Zusammenfassend lässt sich also sagen:

Die DNA codiert für Aminosäuren, welche durch ihre Anordnung die Form und Funktion eines Proteins bestimmen. Proteine sind wichtig für Aussehen, Funktion und Stoffwechsel einer Zelle.

Möchte man nun die Funktion eines Proteins verändern, muss also etwas an der Reihenfolge und Zusammensetzung der Aminosäuren geändert werden. Da diese durch die DNA codiert werden, ändert man also „einfach“ die Basenabfolge.

Und hier kommt die Gentechnik ins Spiel!

Besondere Bedeutung hat die Gentechnik bisher bei transgenen Nutzpflanzen, sowie in Pharmazie und Medizin erlangen können.

Bei transgenen Nutzpflanzen geht es im Grunde darum, dass beste aus der Pflanze raus zu holen. Das heißt zum Beispiel den Ertrag zu erhöhen, die Pflanze toleranter gegenüber Umwelteinflüssen zu gestalten oder sie so zu verändern, dass sie für Schädlinge giftig ist und so den Fraß zu verringern. Die erste Zulassung für transgene Nutzpflanzen erfolgte bereits 1996.

Die Medizin und Pharmazie hinkte da etwas hinterher, doch 2015 waren in Deutschland 175 Arzneimittel mit 133 verschiedenen Wirkstoffen („Verband forschender Arzneitmittelhersteller“) zugelassen. Darunter fallen unter anderem Insulin und verschiedene Vitamine, welche durch gentechnisch veränderte Bakterien hergestellt werden.

Natürlich wachsen diese genetisch veränderten Organismen (GVO oder GMO) nicht einfach auf Bäumen und müssen erstmal erzeugt werden.

Dafür gibt es viele unterschiedliche Techniken, die je nach Art des Organismus an Effizienz und Machbarkeit variieren.

Kombinationsfähigkeit und molekulare Scheren

Bei Bakterien ist eine oft genutzte Technik die Einführung von rekombinanter DNA. Möchte man beispielsweise Insulin herstellen, so benötigt man die DNA-Sequenz, die für dieses Peptid codiert.

Bakterien stellen Insulin ja nicht einfach mal so nach Lust und Laune her. Also muss man zunächst herausfinden, welche DNA-Sequenz beim Menschen für Insulin codiert.

Die original DNA wird mittels PCR (polymerase chain reaction) vervielfältigt. Zusätzlich werden Stellen eingebaut, die als Erkennungs- und Schnittsequenzen für Restriktionsenzyme dienen. Restriktionsenzyme sind kleine Scheren, die die DNA an ganz bestimmten Stellen schneiden. Dabei gibt es Scheren, die einen glatten Schnitt erzeugen und Scheren, die Überhänge (Stickyends) generieren.  Diese Überhänge haben eine ganz bestimmte DNA- Sequenz. Der für das Insulin codierende DNA-Abschnitt wird von solchen Überhängen eingerahmt und kann so nach dem Baukastenprinzip in die DNA des Zielorganismus eingebaut werden, insofern diese die komplementären Überhänge besitzt (man beachte die DNA ist doppelsträngig und die Überhänge sind einzelsträngig, das heißt die Ziel-DNA muss die passenden Partner zur Bildung von Basenpaaren enthalten). Meist wird das entsprechende Zielgen, hier das Insulin-Gen, hinter eine Art Schalter eingebaut. Dieser muss erst eingeschaltet werden, damit die Herstellung des entsprechenden Genprodukts wie oben beschreiben ablaufen kann.

So kann also ein fremdes Gen in einen Organismus eingeführt werden, der dieses Gen in der freien Wildbahn (Wildtyp) nicht besitzt.

Das klingt ja alles erstmal recht zielgerichtet und als hätte man Ahnung was man da tut.

Leider kennen wir aber nicht die Funktion jedes Proteins, jedes Organismus und erst recht nicht das dazugehörige Gen. Es bedarf viel Zeit und noch mehr Geld, um das alles zu erforschen.

Man kann jetzt aus zwei Richtungen an dieses Problem ran gehen.

Zum einen kann man zunächst durch gezielten Knockout, also gezieltes Ausschalten eines Gens nach dem anderen herausfinden, welches Gen für genau das Protein codiert, dass man verändern möchte. Das ist nun nur ganz einfach beschrieben, da man ja nicht immer vom Phänotyp (dem Aussehen) eines Organismus auf den Genotyp (das Genom) schließen kann. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Merkmal durch die Zusammenarbeit mehrerer Proteine und somit mehrerer Gene erzeugt wird.

Ist schließlich das passende Gen zur Eigenschaft bekannt, kann dieses gezielt verändert werden.

Eine andere Herangehensweise ist sich von außen nach innen zu arbeiten. Dabei nimmt man eine große Anzahl von Individuen des Wildtyps und behandelt diese mit ionisierender Strahlung oder chemischen Substanzen, die für Mutationen, also Veränderungen der Erbsubstanz sorgen. Auf die Mechanismen werde ich hier nicht weiter eingehen. Jedoch sei erwähnt, dass die entstehenden Mutationen nicht steuerbar, also willkürlich entstehen. Nun schaut man welches Individuum nach er Behandlung die gewünschte Eigenschaft zeigt und arbeitet mit diesem weiter. Zum einen kann dann mittels normalen Züchtungsmethoden versucht werden, diese Eigenschaften zu manifestieren und zum anderen kann eine Untersuchung auf molekularer Ebene zeigen, welche Unterschiede die Mutante zum Wildtyp aufweist.

Beide Varianten haben Vor- und Nachteile und vor allem wird die eine der beiden Varianten in der Gesellschaft wesentlich kritischer behandelt als die andere.

CRISPR/Cas9 das Spukgespenst

Wo wir jetzt wieder zu unserem Spukgespenst kommen. Das, so scheint es, gruseligste aller Gespenster ist CRISPR/Cas9

CRISPR steht für Clustered Regulary Interspaced Short Palindromic Repeats. Und erweist sich in der Gentechnik als revolutionär. Es basiert auf dem Immunabwehrmechanismus von Bakterien und ist weniger kompliziert, schneller und billiger als frühere Techniken. Unternehmen entwickelten bereits Anwendungen mit CRISPR/Cas9 wie Therapieverfahren für Aids und Schizophrenie, jedoch geht mit dem schnellen Fortschritt, der Effizienz und dem neu aufflammenden Forschergeist eine kaum einzudämmende Welle der Sorge, Befürchtungen und Ängste einher.

Wie funktioniert CRISPR/Cas9?

Wie bereits beschrieben ist CRISPR/Cas9 Teil des Immunsystems von Bakterien. Sie nutzen eine Art DNA-Archiv um eindringende Viren zu zerstören. Dazu besitzen sie in ihrem Genom kurze sich wiederholende Abschnitte, die sog. CRISPR. Zwischen diesen liegen DNA-Sequenzen, die mit denen von Viren übereinstimmen. Diese DNA-Sequenzen dienen als Matrize, als Vorlage für kurze RNA Stücke, welche die Endonuklease Cas9 (CRISPR associated) zur passenden DNA der eindringenden Viren führt. Die Endonuklease zerschneidet dann die Erbsubstanz der Viren an der entsprechenden Stelle.

Dieses System lässt sich mit dem Ziel beliebige Sequenzen aus beliebigen DNA-Molekülen zu schneiden zweckentfremden. Dazu muss eine passende Leit-RNA hergestellt werden, welche Cas9 zur entsprechenden Stelle der Ziel-DNA führt. Cas9 als Endonuklease muss dabei nicht verändert werden. Dies ist der entscheidende Vorteil gegenüber älteren Techniken, die für jeden Eingriff die Herstellung eines spezifischen Enzyms erforderte.

Cas9 schneidet also den DNA-Strang an der entsprechenden Stelle. Bei der anschließenden Reparatur dieses Schnittes durch den Zellapparat, wird manchmal genetisches Material eingefügt, das zuvor in den Zellkern eingebracht wurde.

Auf diese Weise können mittels CRISPR/Cas9- Verfahren Gene/Abschnitte eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden und das ohne, dass dies später nachweisbar wäre.

Das meine Damen und Herren ist der Grund, weshalb es den Massen vor Gentechnik im Allgemeinen und CRISPR/Cas9 im Besonderen schaudert und deshalb auch das neulich verkündete Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht überraschend war.

Das Urteil

Nach diesem  zählen Lebewesen mit gezielt durch CRISPR/Cas9 und andere Gene-Editing-Verfahren (durch designer Endonukleasen erzeugte genetische Veränderungen) erzeugten Mutationen zu den genetisch veränderten Organismen (GVO) im Sinn der EU-Richtlinie und müssen demnach ein aufwendiges Zulassungsverfahren durchlaufen bevor sie eingesetzt werden dürfen. Genetisch verändert sei dabei alles Menschen gemachte, was nicht auf natürlichem Wege möglich ist. Laut dem Gericht stellen jedoch die oben beschrieben zufälligen Mutationen durch Strahlung und Chemikalien eine Ausnahme von dieser Regelung dar, denn zum einen treten Mutation ständig und immer in Zellen auf und zum anderen sei dieses Verfahren schon alt bewährt und somit sicher.

Es lässt sich darüber streiten inwiefern diese Begründung sinnvoll ist, willkürlich erzeugte Mutationen sicherer sind, als gezielt eingefügte und inwiefern das natürlicher oder näher an der Natur dran ist, aber eines lässt dieses Gerichtsurteil durchblicken, es herrscht Aufklärungsbedarf!

Dies ist keine Diskussion, die im Stillen nur von Naturwissenschaftlern geführt werden und von der Ideologie eines Volks entschieden werden sollte.

Es ist kein Wunder, dass die Menschen Angst vor genetisch veränderten Organismen haben, wenn sie nicht verstehen was das bedeutet.

Es ist kein Wunder, dass jedes zweite Produkt mit dem Slogan „ohne Gentechnik“ beworben wird. Denn alles ohne Gentechnik ist vertrauenswürdig, wenn Gentechnik die Hexerei des 21. Jahrhunderts ist.

Es ist nicht verwunderlich, dass Gentechnik eine Attraktion im Spukhaus und CRISPR/Cas9 das gruseligste Gespenst darin ist, denn, wir kennen es noch aus der Kindheit, im Dunkeln erscheint doch irgendwie alles schemenhaft gruselig.

Die einzige Lösung ist also Licht ins Dunkle zu bringen, Aufklärung zu betreiben und das ganze differenziert aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Quelle: Spektrum

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Über den Autor/die Autorin

Bienchen

Eine Seele mit Hirn auf der Suche nach dem großen Ganzen und dem Sinn hinter scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten.

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