Studentenbeiträge

Danke für nichts, Bologna!

Ordner voller Papiere als Beispiel für die Bürokratie im System Uni
Geschrieben von Wichtelwald

Nach nun 10 Semestern an der höchsten akademischen Bildungseinreichtung, einem System, das sich Uni nennt,  habe ich es geschafft. Gerade noch in der Regelstudienzeit. Die Studien- und Prüfungsleistungen für den Master sind vollständig erbracht und verbucht, abzugeben ist nur noch die Masterarbeit.

Nach 5 Jahren des Student*innen-Alltags wird es dann plötzlich ernst: Die schon fast vergessenen Abiturfragen, alle zusammenfassbar unter der Überschrift „Und jetzt?“ holen einen ein. Doch man ist nicht mehr nur Inhaber*in eines Abiturs, man hat jetzt einen akademischen Grad – Bachelor und Master. Da hat man einiges gelernt, sich persönlich weiter entwickelt, Kompetenzen vertieft, Diskussionen geführt und Fachwissen aufgebaut. Oder?

Wenn ich auf die Highlights meiner studentischen Laufbahn zurückblicke, habe ich vor allem eins gelernt. Wie überlebe ich in einem hochgradig bürokratischen, unfassbar überorganisierten System? Und wie zur Hölle schaffe ich es möglichst viele Credits in diesem System zu meinen Gunsten verbuchen zu lassen? Im Endeffekt also: Wie überlebe ich Bologna? Dafür braucht man gar nicht so viele Skills, wie ihr glaubt. Für die, die noch überlegen, was ihnen ein Studium bringt, hier eine Zusammenfassung meiner erworbenen Kompetenzen:

1. Die Herrschaft des Prüfungsamtes ist unantastbar.

Ich habe Studienleistungsbescheinigungsblätter an Dozierende verteilt und sie um Unterschriften angebettelt. Anschließend mindestens drei Sicherheitskopien gemacht und das Orignal dann vom nächsten Dozierenden im nächsten Semester gleich wieder unterschreiben zu lassen, bevor diese*r die Gastprofessur beendet. Das letztendlich mit drei vollständigen Unterschriften absolut heilige Blatt Papier, welches seit nunmehr drei Semestern überlebte, habe ich an das Prüfungsamt  übergeleitet. Das bot mir, bedauerlicherweise heute geschlossen, nur den Briefkasten. Nach zwei Wochen, in denen keinerlei Leistungen im Online System meines Studiengangs verbucht waren, teilte man mir mit, dass keine Post von mir eingegangen sei. Während jeder verzweifelt wäre, zog ich siegessicher meine Sicherheitskopie aus dem Ärmel, um einen bestätigten Antrag auf erneute Ausstellung der Studienleistung bekommen zu können. Daraufhin begab sich ein neues Blatt Papier sich auf die Unterschriftensuche. Es schaffte es sogar bis zur nächsten Uni des dort nun verweilenden Gastdozierenden und letztlich auch den Weg ins Online System. Auch wenn die Umstellung auf Online – Verbuchung von Studienleistungen seine Vorteile hat, liebe zukünftige Studierende, seid gewiss: Die Herrschaft des Prüfungsamtes ist unantastbar.

2. Dozierende lesen deine Hausarbeiten maximal einmal im Schnellverfahren.

Wochenlange Schweißarbeit und Horrorsitzungen in der Bib hast du hinter dir. Dabei Synonyme gegoogelt und Kommafehler berichtigt, das Literaturverzeichnis angepasst, die Arbeit drucken und binden lassen, um nach Wochen des Wartens eine mittelmäßige Note ohne Begründung verpasst zu kriegen. Hausarbeiten sind je nach Umfang mit die aufwändigsten Prüfungsleistungen. Auch für Dozierende ist das mühselig. Deshalb machen sie sich die Korrektur möglichst einfach. Gliederung, Einleitung, Fazit: Damit hat man schon mal einen guten Überblick, worum es geht und, wie logisch sinnvoll die Arbeit aufgebaut ist. Stimmen dann noch Format, Zitierweise und die theoretische Auslegung mit der des Fachbereichs zusammen- top, hier hast du deine 1. Dass Konzepte wie „Einserkandidat“ und „SpeedStudents“ so gut funktionieren, liegt genau daran. Einmal das Konzept verstanden, Schlüsselwörter einer Theorie in irgendeinen Fließtext verarbeiten – Gratulation. Dein*e Kommilition*in gibt die gleiche Arbeit im Semester darauf ab – Gratulation. Noch ne 1. Merke also: Der wissenschaftliche Kompetenzzuwachs beim Verfassen einer Hausarbeit ist zum Teil hoch – aber er wird in er Regel wenig gewürdigt. Schon gar nicht, wenn du die Theorieschule deines Fachbereiches verlässt.

3. Es gibt Seminare, die mit einem Prüfungsdurchschnitt von 1,2 enden.

Und die Aufgabe ist es, dich so zu vernetzen, genau diese Seminare zu finden. Denn dort triffst du auf Dozierende, die ihren Job gerne machen und keine Konflikte mögen, weshalb eigentlich jeder eine 1,0 für seine wie auch immer gestaltete Prüfungsleistung bekommt. Diese Seminare sind wie Ware auf dem Schwarzmarkt. Die gemeinen Studierenden wollen diese Chance für sich behalten, und doch sind die Seminare meist überdurchschnittlich besucht, denn man weiß ja, wofür man hier ist. Merke: Wenn du gute Noten haben willst, lohnt es sich auch mal ein Semester zu warten, bis der jeweilige Dozent wieder das Seminar leitet.

4. Versuche niemals in den Semesterferien großartige, organisatorische Sachen anzugehen.

Endlich Ferien! Nach Pflichtpraktikum, Hausarbeit,  Klausur und Minijob bleiben dir genau noch drei Tage, um dich endlich mal um die Organisation zu kümmern. Die eine Leistung aus dem Auslandssemester muss schließlich noch verbucht werden. Du schreibst dem Dozierenden eine Mail und bekommst direkt nach 2 Minuten eine Antwort: Abwesenheit. E-Mails werden weder gelesen noch beantwortet. Kein Problem für dich: Du weißt selbst, wer die Vertretung vertritt. Doch nach drei Abwesenheitsnotizen unterschiedlichster Art musst du es dann doch einsehen. Semesterferien gelten vielleicht nicht für dich, wohl aber für viele andere. Merke: Studienorganisation kollidiert grundsätzlich mit deinen Vorlesungen.

https://studiblog.net/2018/03/06/wahrheit-studentenleben/

Über den Autor/die Autorin

Wichtelwald

Ein Wald von Wichteln- herrliche Vorstellung oder?

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